Goldene Panik

Nach einer Dekade des Aufstiegs ist der Preis des Edelmetalls plötzlich eingebrochen

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Vielen Anlegern gilt Gold als »sicherer Hafen« in Krisenzeiten. Doch auch der Kurs des Edelmetalls unterliegt spekulativen Schwankungen.

Der Fall bleibt rätselhaft: Am Freitag vergangener Woche brach der Goldpreis förmlich ein. Der Abverkauf setzte sich am Montag fort, als das gelbe Edelmetall mit deutlich unter 1400 US-Dollar je Feinunze (à 31 Gramm) auf den tiefsten Stand seit mehr als zwei Jahren fiel. Der Rückgang um bis zu acht Prozent erscheint auf den ersten Blick nicht sonderlich bemerkenswert, zumal sich der Kurs seither stabilisierte. Die Dramatik wird aber sichtbar, wenn man den Höchststand von rund 1800 US-Dollar im vergangenen Herbst dagegen hält. Lange schien es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis der Kurs die magische 2000-Dollar-Marke überspringt. Ist nun die Spekulationsblase geplatzt?

Absolut betrachtet, entsprach der Verlust von 135 Dollar dem höchsten Tagesrückgang aller Zeiten. Der Kursfall wurde durch das Unterschreiten wichtiger charttechnischer Marken verstärkt, die zu Anschlussverkäufen führten; und in China erreichte Gold den maximal zulässigen Tagesverlust. Auch Silber und Industriemetalle stürzten ab. Erstaunt zeigten sich selbst Fachleute, so die Rohstoffexperten der Commerzbank: »Auch wenn wir kurzfristig betrachtet weitere Goldpreisrückgänge nicht ausschließen können, erachten wir den Preisverfall als übertrieben.« Angesichts des vielen billigen Geldes, mit dem die Zentralbanken die Finanzmärkte fluten, sei der Absturz »fundamental nicht mehr nachvollziehbar«. Die Gold-Kenner der Norddeutschen Landesbank (NORD/LB) sprachen von einem »Winterschlussverkauf«, der auch mit den schwachen Wirtschaftszahlen aus China und der Zypern-Krise zusammenhänge. Der Kleinstaat soll Gold verkaufen, um sich mit dem Erlös an der eigenen Rettung zu beteiligen. Allerdings sind Zyperns Reserven zu klein und Chinas Wirtschaft zu robust, um die Panik zu erklären. »Vernunft scheint bei solchen Abschlägen derzeit keine Rolle zu spielen«, meint Norman Rudschuck von der NORD/LB.

Unvernunft gehört wohl zum Kern einer jeden Panik. So wechselten an den Börsen an jenem Krisentag gut 1140 Tonnen Gold den Besitzer - zumindest auf dem Papier. Dies ist mehr als die gesamte jährliche Goldnachfrage in Indien oder China. Und wo Verkäufe sind, sind Käufer, auch real: So wird »von regem physischem Kaufinteresse« in Asien - insbesondere Indien - berichtet. Sprich: Es werden nicht nur Wertpapiere gehandelt, sondern das Edelmetall selbst. Zudem erwarten Analysten, dass die Zentralbanken reicher Rohstoffstaaten wie Russland und Saudi-Arabien sowie exportstarker Schwellenländer wie Brasilien und China ihre Devisenanlagen aus Sicherheitsgründen weiter diversifizieren - auch mit Goldkäufen. Bei Privatanlegern scheint das Interesse ungebrochen, denn Gold gilt als »sicherer Hafen« in unsicheren Zeiten; und in vielen Entwicklungsländern wird Gold zu Familienfesten verschenkt, als Altersvorsorge und Statussymbol. Zugleich sind die Vorkommen knapp.

Mittel- bis langfristig prognostizieren Experten daher eher höhere Goldpreise. Und doch scheint der Schock tief zu sitzen: Wo einmal Panik war, kann morgen wieder Panik sein. Vergessen scheint, dass der Kurs vor der Finanzkrise lange unter 500 Dollar dahindümpelte. Gold bleibt rätselhaft.


Lexikon

Analysten, die auf Charttechnik setzen, benutzen vielfältige mathematische Methoden, um aus historischen Kursentwicklungen Schlüsse zu ziehen. Beispielsweise versuchen sie, aus Diagrammen (»Charts«) den zukünftigen Goldkurs abzuleiten. Gegenspieler dieser »technischen« Analysten sind »fundamentale«: Diese schließen etwa aus der aktuellen Produktion von Gold auf künftige Kurse. hape

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