Bulgarische Politik »made in Bayern«
CSU geriert sich als Hebamme der Konservativen in Sofia
»Wir werden dem Populismus der Linken ein Ende machen«, war die Botschaft des früheren bulgarischen Vizepremiers und Innenministers Zwetan Zwetanow, dem die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung Anfang April in Brüssel ein Konferenzpodium bot. Zwetanow ist Vizechef der konservativen Partei Bürger für die Europäische Entwicklung Bulgariens (GERB), die den Balkanstaat seit 2009 allein regierte. »Wir danken der Hanns-Seidel-Stiftung besonders für Hilfe und Beratung in der Strukturpolitik«, lobte er seine Gastgeber. Tatsächlich sind die Beziehungen zwischen CSU und GERB schon lange sehr eng. Auf deren Strukturpolitik allerdings sind die meisten Bulgaren nicht gut zu sprechen: Nach EU-Zahlen leben 44 Prozent der Bevölkerung in materieller Armut, die Arbeitslosenrate beträgt 19 Prozent, unter jungen Menschen sogar 44 Prozent. Anfang des Jahres führten Energiepreissteigerungen zu Massenprotesten und zum Rücktritt der Regierung unter CSU-Freund Boiko Borissow (GERB).
Für die Neuwahlen am 12. Mai hat die Borissow-Partei kürzlich ihr Programm beschlossen. Motto des Parteitags: »Wir haben den Willen.« Die Delegierten begrüßten natürlich auch CSU-Abgesandte. Susanne Luther, Leiterin des Büros für Auswärtige Beziehungen der Hanns-Seidel-Stiftung, durfte die Konferenz sogar eröffnen. »Die CSU wird oft scherzhaft die Hebamme der GERB genannt«, sagte sie. Tatsächlich habe man die bulgarische Rechtspartei »mit Rat und Tat, auch mit wohlmeinender Kritik begleitet« und sie »immer aufgefordert, nie vom Pfad der Reformen abzuweichen«.
Ein anderer prominenter CSU-Politiker durfte ebenfalls sprechen: Hans-Peter Uhl, Bundestagsabgeordneter und innenpolitischer Fraktionssprecher, lobte die Innenpolitik Bulgariens, insbesondere aber die Hochsicherheitsgrenze zur Türkei. »Ich war an Ihrer Grenze und in den Polizeistationen in Sofia: Was für eine moderne Ausrüstung! Sie bewachen Ihre Grenze in einer derart exzellenten Weise, dass deutsche Polizisten staunen würden.«
Bulgarien sei nicht den »leichten Weg« des Schuldenmachens wie das benachbarte Griechenland gegangen und nicht den Weg der »Geldwäsche« wie Zypern. Insofern sei Bulgarien ein Beispiel für alle in dieser Region Europas geworden, behauptete Uhl. Das Publikum applaudierte.
Die sozialen Konsequenzen dieser Politik waren indes fast dieselben wie in Griechenland. Und der Protest dagegen brachte die GERB-Regierung zu Fall. Und doch führt die Partei schon wieder in den Umfragen - die Linke scheint unfähig, eine wirksame Alternative zu formulieren. »Die Bulgaren wollen den Kapitalismus nicht. Aber keiner wagt es, das zu sagen«, kommentierte der bekannte bulgarische Philosoph und Soziologe Andrej Raitschew.
Der Applaus des GERB-Parteitags ließ darauf schließen, dass in der Politik Sofias das »made in Bulgaria« durch »made in Bavaria« ersetzt wurde. Oder wäre es denkbar, dass zwei bulgarische Politiker einen CSU-Parteitag in München eröffnen? Der bayrische Politpaternalismus zeigt, wie die bundesrepublikanische Politik ihren Einfluss in Südosteuropa geltend macht, selbst in Ländern, die nicht zur Eurozone gehören.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.