»Finanzmärkte an die Leine!«
Von wegen Casino! Aufklärung über populäre Krisen-Irrtümer - Teil 17 der nd-Serie
Nicht erst seit der Finanzkrise stehen Banken und Finanzmärkte im Fokus der politischen Debatte – und am Pranger. Nun sollen die Banken zahlen, fordern die einen. Das sei eine große Gefahr, warnen die anderen. Denn vom Wohl der Banken hänge die ganze Wirtschaft ab. Wer hat recht? Sind Banker wirklich gierig? Und woher kommt die Abhängigkeit von den ominösen „Märkten“? Ein Autorenkollektiv der Rosa-Luxemburg-Stiftung hat sich die gängigen Irrtümer über Banken, Börse und Kredit vorgenommen - und zeigt, dass nicht allein von Macht und Größe der Finanzmärkte alle Übel des Kapitalismus ausgehen. Klarheit statt Mythen: hier täglich in einer nd-Reihe.
»Finanzmärkte an die Leine!«
Was gesagt wird:
Die Märkte waren bisher unreguliert. Daher müssen sie endlich reguliert werden, um Krisen zu verhindern. „Wer die Ursachen [der Krise] bekämpfen will, der muss die staatliche Aufsicht verstärken.“ (Süddeutsche) „Wir müssen die Finanzmärkte an die Leine legen“, erklärte Carsten Schneider, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.
Was dran ist:
Erstens: Politiker sagen gern, dass die Märkte reguliert werden müssen. Was sie dabei verschweigen: Die Finanzsphäre ist „neben der Atomindustrie der am stärksten regulierte Wirtschaftsbereich“. Was Banken und Börse müssen und dürfen, ist in unzähligen Gesetzen fixiert. Der Staat hat die Finanzmärkte bei der Regulation also nicht übersehen.
Zweitens hat der Gesetzgeber den Anlegern per Liberalisierung des Finanzmarktes jede Menge Freiheit der Spekulation gegeben. Auch das ist Teil der Regulation. Die Staatsorgane waren also nicht abwesend, sondern wollten dem Finanzkapital mehr Möglichkeiten einräumen, Profit zu machen. Die Freiheit der Finanzmärkte ist kein Versäumnis der Politik, sondern ihre Absicht. Angesichts der Krise wird diese Entscheidung der Politik nun uminterpretiert in eine Untätigkeit.
Nun wird also mehr reguliert. Es stellt sich die Frage, ob damit Krisen künftig verhindert werden. Letztlich glaubt daran niemand. Denn das Geschäft an den Finanzmärkten beruht auf Erwartungen künftiger Ereignisse. Diese Erwartungen liegen heute schon materiell vor – als finanzieller Reichtum der Welt in Form von Forderungen und Zahlungsverpflichtungen (siehe auch hier). Dieser Reichtum und die Märkte sind so lange stabil, solange diese erwarteten Ereignisse auch eintreten, solange die antizipierten Renditen auch erzielt werden bzw. daran geglaubt wird. Dass die Renditen erzielt werden, lässt sich jedoch nicht gesetzlich vorschreiben. Insofern kann Regulation die Märkte in ihrer Freiheit, Profit zu erzielen, einschränken, sie aber nie stabil machen. „Der Teil der Linken, der nur in den Banken die Verursacher der Krise sieht, gibt sich der Illusion hin, die Krise könne einfach durch eine andere Form der Regulierung der Banken und der Finanzmärkte überwunden werden.“
Die von einem Autorenkollektiv verfasste Broschüre »Von wegen Casino« ist in der Reihe »luxemburg argumente« erschienen und kann bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung bestellt werden.
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.