»Die Banken für die Krise zahlen lassen!«

Von wegen Casino! Aufklärung über populäre Krisen-Irrtümer - Teil 18 der nd-Serie

  • Lesedauer: 4 Min.

Nicht erst seit der Finanzkrise stehen Banken und Finanzmärkte im Fokus der politischen Debatte – und am Pranger. Nun sollen die Banken zahlen, fordern die einen. Das sei eine große Gefahr, warnen die anderen. Denn vom Wohl der Banken hänge die ganze Wirtschaft ab. Wer hat recht? Sind Banker wirklich gierig? Und woher kommt die Abhängigkeit von den ominösen „Märkten“? Ein Autorenkollektiv der Rosa-Luxemburg-Stiftung hat sich die gängigen Irrtümer über Banken, Börse und Kredit vorgenommen - und zeigt, dass nicht allein von Macht und Größe der Finanzmärkte alle Übel des Kapitalismus ausgehen. Klarheit statt Mythen: hier täglich in einer nd-Reihe.

»Die Banken für die Krise zahlen lassen!«

Was gesagt wird:

Die Banken haben sich verspekuliert und damit die Finanzkrise angerichtet. Zahlen müssen sie dafür aber nicht. Stattdessen werden sie von Staaten gerettet. Das erhöht die Staatsschulden. Und für die haften die Bürger. „Es sind in erster Linie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die die Lasten der Krise zu tragen haben, während man die Krisenverursacher in den Finanzzentren […] ungeschoren davonkommen lässt“, beklagt der DGB. Etwas demütiger drückt es die „Bild“-Zeitung aus: „Lieber Finanzminister Steinbrück, […] Sie haben Milliarden für eine Bank. Warum haben Sie nicht ein paar Euros für uns?“

Was dran ist:

Dass die Banken die Finanzkrise «verursacht» haben, ist richtig, aber auch banal. Wer hätte sie auch sonst verursachen sollen? Schließlich besteht eine Finanzkrise in nichts anderem, als dass die Spekulation des Finanzsektors nicht mehr aufgeht.

Vor der Krise sind die Geldanleger allerdings genau nach den Kriterien vorgegangen, die von ihnen verlangt werden: möglichst hohe Renditen auf das angelegte Kapital zu erzielen. Als die Rückzahlung von Krediten an US-Hypothekenschuldner oder an den griechischen Staat unsicher wurde, haben sie die Kreditvergabe daher gestoppt – und damit die Krise herbeigeführt.

Auch die Diagnose des DGB stimmt. Zwar haben die Eigentümer der Banken – die Bankaktionäre – auch Verluste erlitten. Letztlich aber greift der Staat ein, um die faulen Kredite der Banken zu retten. Warum tut er das? Weil die Banken erstens das Finanzvermögen der ganzen Welt verwalten – von den großen Investments bis zu den Spargroschen und Lebensversicherungen der kleinen Leute. Zweitens hängt von der Potenz der Bank heutzutage alles ab. Denn jedes Wachstum (von Unternehmen oder von ganzen Nationalökonomien) beginnt heutzutage mit dem Kredit der Bank – also mit der Spekulation auf Wachstum. Daher soll der Finanzsektor nicht zu stark mit den Kosten der
Krisenlösung belastet werden.

Stattdessen lassen die Regierungen die Bevölkerungen zahlen: in Form geringerer Arbeitslosenhilfe, Lohnsenkungen, Rentenkürzungen, höheren Steuern etc. „Es geht darum, das Lohnniveau […] abzusenken, die Arbeitszeit zu verlängern, also die Ausbeutung der Arbeitskraft insgesamt zu erhöhen.“ Mit diesen Maßnahmen wollen Regierungen den Unternehmen an ihrem Standort zu mehr Gewinn verhelfen, das soll die Wirtschaftsleistung erhöhen und die Länder wieder kreditwürdig machen. Das bedeutet: Sie wollen dem Maßstab der Finanzmärkte gerecht werden, wollen wieder rentabel, wieder Anlagesphäre für Finanzkapital werden.

Die Finanzsphäre wird zwar künftig strenger kontrolliert, Banken müssen größere Risikopolster anlegen. Auch das kostet sie Geld. „Gewinnträchtige Geschäftsfelder werden eingeschränkt, Informationspflichten auferlegt, Mindestvorschriften für teures Eigenkapital erlassen. All das wirkt sich auf die Kosten aus.“ Da die Staaten in der globalen Konkurrenz um Kredit attraktive Anlagestandorte für Finanzkapital sein wollen, wird die Belastung der Investoren sich stets in Grenzen gehalten. Eine starke Regulierung wird es daher kaum geben.

Mit neuen Bestimmungen und Maßnahmen wie Vermögenssteuern, Vermögensabgaben, Finanztransaktionssteuern oder Schuldenerlassen wird das Anlagekapital an den Kosten der Krise nur in geringem Umfang beteiligt. Letztlich tragen die Lohnabhängigen die Hauptlast: Sie sollen mit ihrer Leistung und ihrem Verzicht das Wirtschaftswachstum schaffen, das den finanziellen Reichtum der Welt solide macht. Denn dieser finanzielle Reichtum besteht bloß aus Forderungen und Schulden. Deren Wert basiert auf der Erwartung, dass sie auch bedient werden. Wird diese Erwartung gestärkt, können neue Kredite vergeben werden. So geht das Spiel immer weiter.

Werden die Finanzmärkte über die schärfere Regulation „an die Leine gelegt“? Was ist das Ziel der Regulation? Ziel ist es, Finanzkrisen und Zusammenbrüche von Banken künftig zu vermeiden. Ziel der Regulation ist also kein schwächeres, sondern ein dauerhaft florierendes Finanzkapital. Anders gesagt: Mit der Regulation soll die Macht der Märkte nicht gebrochen, sondern stabilisiert werden. Denn alle Welt hängt heute von ihnen ab. Eine Änderung dieses Zustands ist nicht vorgesehen.

ie von einem Autorenkollektiv verfasste Broschüre »Von wegen Casino« ist in der Reihe »luxemburg argumente« erschienen und kann bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung bestellt werden.

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