Obamas Machtwort: Wer hat das Sagen?
Nun ist es fast vier Wochen her, seit US-Präsident Barack Obama in Israel (und in Palästina, ganz kurz mal) die Welt mit deutlichen Worten in Verzückung versetzt, und man kann nun wohl mit einiger Sicherheit sagen, dass die Welt nicht genug ist. Jedenfalls nicht, wenn man im Epizentrum der drei Weltreligionen etwas verändern will. Oder anders: Obama, und noch viel mehr als er, sein Außenminister John Kerry, lernen gerade, wie schwer es ist, gegen das Nahost-Tagesgeschäft anzukommen.
Kerry ist nach wie vor dabei, sagen jedenfalls seine Sprecher im State Department, dem amerikanischen Außenminister, seinen Plan für eine Rückkehr beider Seiten an den Verhandlungstisch zu entwerfen. Doch die, für die der Plan bestimmt ist, machen einfach so weiter, wie sie immer weiter machen – und kümmern sich kaum darum, was Kerry tut, fordert oder anbietet.
Am Deutlichsten wurde dies, als neulich der palästinensische Premierminister Salam Fajad zurück trat. Dieser Schritt war sehr, sehr, sehr lange im Werden gewesen, und mit deutlichen Worten hatten die Amerikaner versucht, Fajad davon abzuhalten. Aus gutem Grund: Der Mann, einst bei der Weltbank beschäftigt, kontrollierte die Bankkonten der palästinensischen Regierung wie Omma ihren Sparstrumpf. Das mag der Westen, der seit dem Wahlsieg der Hamas bei den Parlamentswahlen Anfang 2006 aus Rücksicht auf Israel mehr darauf bedacht war, dass Finanzhilfen nicht bei der Organisation landen, als dass man sich für eine Lösung der sich zuspitzenden wirtschaftlichen Lage im Westjordanland interessierte.
Dass Fajad letzten Endes nur der Funktionär einer ziemlich irrelevanten Klein-Partei (Dritter Weg) ohne Einfluss, ohne Basis in der palästinensischen Bevölkerung ist, und dass er sich obendrein als Hüter des das Gegenteil von beliebt machte, wurde dabei entweder übersehen oder aber einfach nicht beachtet.
Als Obama seinen Außenminister zum Berufspendler zwischen Washington und Nahost-West machte, baute man vor allem auf Fajad als Partner; einige US-Diplomaten hatten sogar privat erklärt, sie seien absolut davon überzeugt, Fajad werde bald Präsident werden, und das selbst dann noch, als auf den Straßen bereits Tausende gegen den Sparkurs Fajads demonstrierten. Und so musste man nun erleben, wie sich diese Annahmen, diese Hoffnungen auflösten.
Oder so.
Denn sinnigerweise legt Präsident Mahmud Abbas absolut keine Eile an den Tag, einen Nachfolger zu benennen. Und damit ist auch unklar, wer gerade an der Spitze der palästinensischen Regierung das Sagen hat: Offizell bleibt Fajad im Amt, bis der Neue da ist.
Mittlerweile glauben ausländische Diplomaten, der Rücktritt sei nichts weiter als eine Beruhigungspille für die Massen gewesen, die ob der Krise zunehmend unmütiger werden. Die Wiederaufnahme der Zahlungen aus dem Steuerabkommen mit Israel, aber auch die Auszahlung von Finanzhilfen aus den Vereinigten Staaten nach dem Obama-Besuch haben wenig getan, um die Not der Menschen zu lindern; der Rücktritt des wirtschaftsliberalen Fajad war eine der Kernforderungen der Demonstranten.
So lange es keinen Nachfolger für Fajad gebe, sagt das Team Kerry nun, bleibe alles beim Alten – und Fajad der Ansprechpartner. Dem Vernehmen nach soll eine Konferenz im Juni oder Juli, möglicherweise unter Beteiligung Ägyptens, Jordaniens und der Türkei, das Ziel sein.
Doch ob eine solche Konferenz irgendein Ergebnis bringen würde, und falls es ein Ergebnis gäbe, ob dieses Ergebnis auf beiden Seiten auch umsetzbar wäre, ist vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Unsicherheit mehr als fraglich.
liv
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