Euro – so nicht
Andrej Hunko will keine Bekenntnisse für oder gegen die Gemeinschaftswährung, sondern Offenlegung der Interessen bei der »Rettung«
Mit dem Slogan »Euro – so nicht« protestierte 1998 eine der Quellparteien der heutigen Partei DIE LINKE, die PDS, im Bundestag gegen die Einführung des Euro. Gregor Gysi sagte in seiner damaligen Rede im Bundestag:
»Unsere größte Kritik richtet sich aber auf einen anderen Punkt; das ist das Wichtigste: Wer europäische Integration will, muss europäische Angleichungsprozesse einleiten. Dazu würde gehören, die Steuern zu harmonisieren, die Löhne und Preise anzugleichen und auch soziale, ökologische und juristische Standards anzugleichen. (…) Wenn Sie das alles politisch nicht leisten und statt dessen sagen, wir führen eine Einheitswährung ein, um die Angleichungsprozesse zu erzwingen, dann sagen Sie damit doch nichts anderes, als dass Sie ganz bewusst Lohnwettbewerb, also in Wirklichkeit Lohndumping und Kostendumping, organisieren wollen.«
Leider sollte Gregor Gysi recht behalten: Mit der Einführung des Euro wurden keine europäischen Angleichungsprozesse eingeleitet, die Konkurrenz der Staaten wurde innerhalb des Euroraums sogar verschärft, da die einzelnen Staaten innerhalb eines nationaldarwinistisch organisierten Währungsraums nicht mehr die Möglichkeit haben, der Konkurrenz durch eine eigenständige Geldpolitik ihrer Notenbank entgegenzusteuern.
Auch die Linke außerhalb der PDS lehnte 1998 die Einführung des Euro, bzw. die zugrunde liegenden Maastrichter Verträge ab. Ich schrieb damals in einer kleinen Linken Zeitung (»Linke Offensive«) unter dem Aufmacher »Maastricht-Verträge – Nein zum Europa der Konzerne«:
»Die Kriterien der Maastrichter Verträge, Begrenzung der Staatsverschuldung und der Inflation, zeigen, worum es bei diesem Europa geht: um stabile und sichere Ausbeutungsbedingungen der großen Konzerne…Für die Linke ist es notwendig, sich klar und deutlich gegen die Maastricht-Verträge auszusprechen, ohne jedoch den Hauch eines Zugeständnisses an den Nationalismus zu machen.«
Die Konstruktionsfehler des Euro, die in den Maastricht-Kriterien festgelegt sind, sind weniger das Ergebnis neoliberaler Verblendung seiner Konstrukteure, sie entsprechen vielmehr den Interessen des kerneuropäischen, maßgeblich des deutschen, Kapitals.
Im Zuge der Finanzkrise 2008 rissen die bis dato relativ einheitlichen Refinanzierungszinsen der Staaten im Euroraum unter dem Druck der Finanzmärkte und Rating-Agenturen auseinander, ohne dass die EZB entscheidend eingriff. Ein Staat nach dem anderen wurde gezwungen, unter so genannte Rettungsschirme zu schlüpfen und als Gegenleistung die Austeritäts- und Privatisierungsdiktatur der Troika zu akzeptieren. DIE LINKE kann stolz darauf sein, dass sie als einzige Partei im Bundestag alle diese Kolonisierungsprojekte der europäischen Peripherie, die natürlich immer als »Eurorettung« oder »pro-europäisch« bezeichnet wurden, abgelehnt hat. Dafür wurden wir insbesondere von den Grünen heftig als nationalistisch und anti-europäisch attackiert – der Ton milderte sich erst, als die sozialen Konsequenzen dieser Art Eurorettung massenhaft sichtbar wurden.
Mit der »Zypern-Rettung« erreichte die Willkür, mit der Gesellschaften der europäischen Peripherie in den sozialen und wirtschaftlichen Abgrund gestoßen werden, einen neuen Höhepunkt. Es ist mir völlig schleierhaft, wie Menschen, die sich ein Mindestmaß an Empathie für die soziale und ökonomische Situation der Menschen in diesem Land beibehalten haben, dem Vorgehen Schäubles, Merkels und Asmussens zustimmen konnten. Die verordnete Rezession wird nach offiziellen Prognosen doppelt so tief sein wie in Griechenland.
Wenige Tage nach dem Zypern-Beschluss war ich in Nikosia und habe mit verschiedenen Linken, darunter auch dem Vorsitzenden der AKEL, Andros Kyprianou, gesprochen. Die AKEL repräsentiert etwa 30 Prozent der zyprischen Gesellschaft und gehört damit zusammen mit der griechischen SYRIZA zu den stärksten linken Parteien in Europa. Sie hat bei der Europäischen Linken einen Beobachterstatus.
Andros Kyprianou sagte mir, dass die AKEL international bekannte Ökonomen beauftragt habe, einen Weg Zyperns außerhalb der Troika-Diktate zu entwerfen, der de facto auf einen Weg außerhalb des Euros hinauslaufe. Mit der Euro-Mitgliedschaft könne sich Zypern nicht der Troika entziehen. Dieser Weg solle der zyprischen Öffentlichkeit vorgestellt und dann einem Referendum unterzogen werden. Dieser Vorschlag ist mittlerweile Position der AKEL und öffentlich gemacht worden.
Ich entgegnete, dass ich mich für die Respektierung eines solchen Schrittes in Deutschland einsetzen werde, das aber nur für die zweitbeste Lösung halten würde. Besser wäre der gemeinsame Kampf für einen radikalen Kurswechsel in Europa in Richtung der bekannten Forderungen der Europäischen Linken. Andros Kyprianou stimmte mir zu und sagte dann: »Aber wie sollen wir bis dahin überleben?«
Das ist der Knackpunkt. Die Behebung der Konstruktionsfehler des Euro in Richtung eines sozialen und solidarischen Europas ist möglich und zweifellos die beste Wahl. Was aber, wenn wir zu schwach sind, diesen so dringend notwendigen Kurswechsel schnell durchzusetzen? Was, wenn sich die Krisenhaftigkeit und Verzweiflung in vielen europäischen Ländern weiter zuspitzen? Was, wenn der Euro aufgrund seiner Konstruktionsfehler an seinen inneren Widersprüchen zerbricht? Schöne Worte des Bekenntnisses zum Euro helfen da nicht weiter. Es muss zumindest das Recht auf einen demokratisch – am besten per Referendum – legitimierten Austritt geben. Es ist ein Skandal, dass die europäischen Verträge diesen Fall gar nicht vorsehen.
DIE LINKE sollte meines Erachtens im Wahlprogramm kein positives oder negatives Bekenntnis zum Euro abgeben, sondern die Konstruktionsfehler der Gemeinschaftswährung und die Interessenlagen bei der gegenwärtigen Eurorettung offen legen. Sie sollte insbesondere die europäische Austeritäts- und Privatisierungspolitik der anderen deutschen Parteien und der Troika brandmarken, das deutsche Lohndumping gegenüber den anderen Euroländern angreifen und radikale Alternativen im Rahmen einer gemeinsamen Währung einfordern. Zugleich muss sie sich aber auf den Fall des möglichen Scheiterns des Euro vorbereiten. Die unaufgeregte und solidarische Debatte dazu ist überfällig, sie sollte aber entlang sozialer und ökonomischer Realitäten erfolgen. Letztlich wird es darauf ankommen, welche Kräfte die Gewerkschaften und neuen sozialen Bewegungen gemeinsam mit der parlamentarischen Linken entwickeln können, um Druck zu machen für eine weitreichende Veränderung der europäischen Wirtschaftsmechanismen.
Andrej Hunko ist nordrhein-westfälischer Bundestagsabgeordneter der Linken und dort unter anderem im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union sowie in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates aktiv. Sein Text zur Euro-Debatte der Linken erschien zuerst im Linksletter des NRW-Landesverbandes.
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