Das Grauen heißt nur noch Zschäpe

Bodo Ramelow über den NSU-Prozess, falsche Aufmerksamkeit und den Terror der Neonazis

  • Bodo Ramelow
  • Lesedauer: 3 Min.

Nun beginnt er, der vom Medienhype begleitete Prozess gegen Beate Zschäpe. Lächerlichkeiten wie die Lotterie zur Platzvergabe im viel zu kleinen Gerichtssaal lenken die Aufmerksamkeit in die banale Ecke. Sprachlich wurde der Prozess schon gewandelt: Am Anfang ging es um ein Naziterror-Netzwerk, das auf eine dreiköpfige Bande reduziert wurde, jetzt hat man den Fokus auf die Einzelperson Zschäpe gerichtet. Nur noch von ihr ist die Rede, aus Thüringen stammend, das fiese Gesicht ausreichend oft in Fernsehen und bunten Blättern gezeigt. Sogar von ihrer netten Seite hört man: Katzenschützerin, freundliche Nachbarin - all das wird wohl in München präsentiert. Der Bundesinnenminister appelliert: Frau Zschäpe, bitte gestehen Sie! - und verdutzt fragt man sich, was hier gerade schief läuft.

Es ist wie beim Anschlag auf das Münchner Oktoberfest. Nach Schock und Trauer wurde zur Tagesordnung übergegangen und ein verrückter Einzeltäter als Schuldiger festgestellt. Die Spuren zur »Wehrsportgruppe Hoffmann« ließ man gleich im Nebel entschwinden, Aufklärung musste nicht mehr stattfinden, da der Täter tot war. So wie jener Obdachlose, der in Bayern, Sachsen, Thüringen und Österreich Erddepots als Einzeltäter angelegt haben soll - mit Handgranaten, Sprengstoff, Waffen, Feindeslisten - und dessen Sprengsätze der in Köln vom NSU gezündeten Nagelbombe verblüffend ähnlich sein sollen. In Köln wusste ein Bundesinnenminister schon nach Stunden einen rechtsextremen Hintergrund auszuschließen. Auch bei dem Obdachlosen, der die Lagepläne hochkomplex chiffriert hatte, wurde ein politischer Hintergrund verneint.

Der Bürger kann sich beruhigt zurücklehnen. Über Zusammenhänge zu den Erddepots, zum Oktoberfestanschlag und zu einem aktuellen Prozess in Luxemburg, wo ein BND-Mann als Bombenbastler den dortigen Geheimdienst unterstützt haben soll und Aktivitäten einer NATO-Geheimtruppe mit Namen »Stay behind« ans Licht gebracht werden, ist in Deutschland fast nicht zu hören.

Thüringen war Drehscheibe des internationalen braunen Terrornetzes. Mitglieder des militanten »Thüringer Heimatschutzes« (THS) wurden in Österreich in einer kriminellen Nazibande identifiziert. Hoffmann stammt aus Kahla, war dort in den 1990ern bei einem Menschen engagiert, der über Südafrika enge Kontakte zu Waffengeschäft und Söldnermilieu hatte. Auf der Farm eines anderen Nazis in Südafrika trainierte der THS das Schießen.

All das wird nicht zu einem Gesamtbild verdichtet. Im Kalten Krieg standen laut geheimer NATO-Doktrin für den Fall einer sowjetischen Intervention bewaffnete Kräfte bereit, die im Rücken des Feindes kämpfen sollten. Sind hier vielleicht die Knoten eines solchen Netzwerkes zu finden? Nein, lautet die offizielle Antwort, »Stay behind« gab es in Deutschland nicht, gibt es nicht, wird es nie gegeben haben. Und was deutsche Geheimdienste anderswo machten, wissen wir nicht.

Wir werden es auch über den Münchner Prozess nicht herausfinden. Dass noch weitere Akteure im Spiel sein könnten, wird ohnehin als Verschwörungstheorie abgetan. Unabhängig davon, was der Richter noch anstellt, bleibt es ein Prozess, der sich an einer Person abarbeitet und nichts aufgeklärt, was darüber hinausweist. Das Unwesen deutscher Geheimdienste muss man wohl weiter über Untersuchungsausschüsse aufklären. Soweit Geheimaktionen überhaupt mit parlamentarischen Mitteln aufklärbar sind.

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