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Kürzen auf Deubel komm raus

Erneute Proteste gegen Streichpläne bei Hochschulen in Sachsen-Anhalt

  • Hendrik Lasch, Halle
  • Lesedauer: 3 Min.

Als Theologe glaubt Udo Sträter eigentlich an anderes als an Horoskope. Der Rektor der Universität Halle-Wittenberg hat vor einem Gespräch mit Reiner Haseloff, dem CDU-Regierungschef von Sachsen-Anhalt, aber dennoch gelesen, was ihm als Widder geraten wird - und war verblüfft. Er solle nicht vagen Versprechungen trauen, stand da: Nur Schriftliches sei solide.

Der Rat passte trefflich zu dem Auftritt Haseloffs vor 4000 Studenten und Hochschulbeschäftigten am Mittwoch in Halle. Sie protestierten zum zweiten Mal binnen kurzem gegen Pläne der Landesregierung, bei den Hochschulen in den nächsten Jahren insgesamt 50 Millionen Euro zu kürzen - bei einem Gesamtetat von gut 300 Millionen Euro ein gravierender Einschnitt. Nicht nur in Halle geht die Sorge um, ganze Fakultäten stünden vor der Schließung.

Haseloff, der mit Buhrufen und Pfiffen begrüßt wurde, suchte zu beschwichtigen - freilich eher mit vagen Versprechungen denn mit Schriftlichem: »Halle bleibt!«, griff er den Slogan der Protestierenden auf und sagte: »Sie glauben doch nicht, dass ich diese Uni in Frage stellen will?!« Zugleich verteidigte er aber die Sparpläne des Kabinetts. »Wir müssen mit den Realitäten leben«, sagte er: »Wir können nur das Geld ausgeben, das wir haben.«

Haseloff und sein SPD-Finanzminister Jens Bullerjahn betonen beharrlich, im Land gebe es nichts mehr zu verteilen - und lassen sich das durch eine Expertise bestätigen, die Ingolf Deubel, der Ex-Finanzminister von Rheinland-Pfalz, erarbeitet hat und die das Kabinett gestern in einer Sondersitzung behandelte. Sie kommt zum Schluss, dass in Sachsen-Anhalt bis 2020 zwei Milliarden Euro eingespart werden müssen, soll nicht das Land in seiner Existenz gefährdet werden.

Noch bevor indes die Zahlen offiziell vorgestellt wurden, ist scharfer Streit darüber losgebrochen, wie plausibel sie sind. Man habe »auf Deubel komm raus gerechnet«, bis das Kürzungssoll für die Hochschulen bestätigt worden sei, sagt Sträter. Es hätte zur Folge, dass 150 Professorenstellen gestrichen werden müssten - so viele, wie die Uni Magdeburg hat. Die Rektoren glauben, dass die Regierung von falschen Zahlen ausgeht. Auf der Demo in Halle wurde angemerkt, dass es im Land schon jetzt zwar 55 000 Studenten gibt, aber nur 34 000 Studienplätze finanziert werden. Eine Arbeitsgruppe soll nun ab Donnerstag die Daten abgleichen.

Der Protest von Rektoren und Studenten könnte, wenn er anhält und an Fahrt gewinnt, für die Regierung heikel werden. Noch brisanter ist geharnischter Widerspruch aus den eigenen Reihen. So greifen die SPD-Politiker Burkhard Lischka, Spitzenkandidat im Land für die anstehende Bundestagswahl, und Lutz Trümper, OB von Magdeburg, das von ihrem Parteifreund Bullerjahn in Auftrag gegebene Deubel-Gutachten scharf an: Das Land werde absichtlich schlecht gerechnet, hieß es; von »falschen Schlüssen« und »Taschenspielertricks« ist die Rede.

Noch bemerkenswerter ist der Umstand, dass Ex-Ministerpräsident Wolfgang Böhmer die für Politpensionäre übliche Zurückhaltung ablegt und in einem MDR-Interview ungewöhnlich offene Kritik an der Politik seiner Nachfolger übt. Nach 20 Jahren Aufbauarbeit könne man die »Konsolidierung nicht dadurch erreichen, dass wir wieder den Rückbau organisieren«, sagte Böhmer: »Das ist politisch nicht vermittelbar.« Die Entlassung von Wissenschaftsministerin Birgitta Wolff, die von Haseloff per Telefonat gefeuert worden war, weil sie die Sparvorgaben von Bullerjahn etwas korrigieren wollte, nannte der Alt-Ministerpräsident »stil- und würdelos«.

Abzusehen ist, dass derlei Zitate umgehend auf Transparenten bei weiteren Protesten auftauchen werden. Für den 21. Mai ist ein landesweiter Aktionstag gegen die Kürzungen bei Bildung und Kultur geplant; die Studenten, von denen Haseloff fünf zu Gesprächen nach Magdeburg einlud, erwiderten, es würden »hoffentlich 50 000« dort erscheinen. Groß genug scheint die Ernüchterung über die Politik des Landes zu sein. Den Slogan »Wir stehen früher auf« haben de Studenten jedenfalls schon einmal abgewandelt: »Sachsen-Anhalt - Dafür steht niemand früher auf.«

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