Ökolandbau in Gefahr?

Ulrich Köpke ist Professor am Institut für Organischen Landbau an der Uni Bonn

  • Lesedauer: 3 Min.

nd: Die Umsätze mit Biolebensmitteln haben sich in den letzten zehn Jahren verdreifacht, die Anbaufläche wuchs dagegen nur um etwa 30 Prozent. Weshalb kann der heimische Ökolandbau nicht mit der Nachfrage mithalten?
Köpke: Dafür gibt unterschiedliche Gründe. Die Anreize zur Umstellung der Betriebe auf Ökologischen Landbau sind zu gering. So sind die Erzeugerpreise im konventionellen Landbau auf hohem Niveau deutlich stabiler. Hinzukommen gestiegene Land- und Pachtpreise, unter anderem durch eine einseitige Förderpolitik industriemäßig betriebener Biogasgroßanlagen und eine generelle Landknappheit. Zudem ist die Förderpolitik der Bundesländer bei der betrieblichen Umstellung und Beibehaltung des Ökologischen Landbaus unzuverlässig.

Viele Biolebensmittel werden aus Nicht-EU-Staaten importiert. Kann überhaupt kontrolliert werden, ob Produkte aus Ländern wie Ägypten oder Israel den EU-Bio-Kriterien entsprechen, wenn Skandale zeigen, dass es selbst hierzulande Nachholbedarf gibt?
Man muss sich auf die Kontrolleure und Zertifizierer verlassen können. Richtig ist, dass eine marktnahe und verbrauchernahe Erzeugung mehr Transparenz und Gewähr sichert. Die eigene Wahrnehmung der Produzierenden, ihres Ethos, ihrer Verlässlichkeit schafft Vertrauen und sichert den Absatz. Regionale Erzeugung ist ein wichtiges Fundament für »nachhaltige« Landwirtschaft.

Kann man beim Anbau von Produkten in Ländern wie Ägypten noch von Bio im Sinne der Nachhaltigkeit sprechen, wenn Lebensmittel zum Teil Tausende Kilometer zurücklegen, die auch in Deutschland oder Nachbarländern angebaut werden könnten?
Solange nicht Konkurrenz zu hiesiger saisonaler Erzeugung besteht, sehen wir da kein Problem. Es gibt aber schon klare Regelungen. Zum Beispiel wird, wenn in Deutschland Frühkartoffeln erzeugt werden können, keine ägyptische Ware mehr importiert. Grundsätzlich steigt aber mit der Ferne zum Orte der Vermarktung die Gefahr weniger nachhaltig und stärker umweltbelastend zu erzeugen. Deshalb ist zunächst das Oberziel möglichst verbrauchernaher Erzeugung zu verfolgen.

Bei einheimischen Bauern lässt sich ein Trend zur Rückkehr zu konventionellem Anbau beobachten. Weshalb wirft der Ökolandbau nicht genug Gewinn ab?
Die konventionelle Erzeugung ist bei höheren stabilen Preisen wieder attraktiver geworden und fördert damit Rückumstellung und verhindert Neuumstellung. Der Unterschied bei den Erzeugerpreisen ist in den letzten Jahren bei vielen Produkten geringer geworden. Absatzwege im konventionellen Einzelhandel mit verpackungsbedingten Anforderungen an die Kalibrierung der Produkte, zum Beispiel die Normlängen bei Möhren, engen den Anteil vermarktungsfähiger Ware ein.

Was muss die deutsche Politik tun, um die verhältnismäßig immer noch geringen Flächen für Ökolandbau weiter auszubauen?
Das Ziel von 20 Prozent Ökologischem Landbau muss konsequent verfolgen werden. Dafür muss der Mehrwert inländischer Erzeugung und hoher Prozessqualität in einem ersten Schritt anerkannt und dann besser vermittelt werden. Zudem bedarf es einer klaren und verlässlichen Förderpolitik.

Fragen: Robert D. Meyer

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