Geschichtsvergessen

Aert van Riel über den Wahlkampf der SPD

  • Lesedauer: 1 Min.

Spitzenpolitiker von Parteien unterschiedlicher Couleur beziehen sich gerne auf Ludwig Erhard. Auch der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel folgte nun diesem Trend. In einem Interview mit dem »Handelsblatt« bezeichnete er den Kanzlerkandidaten seiner Partei, Peer Steinbrück, als Nachfolger des früheren CDU-Bundeskanzlers. Gabriel teilt offenbar die Einschätzung vieler Bundesbürger, die in Erhard das Symbol für den »Wohlstand für alle« in den 50er und 60er Jahren sehen. Der Sozialdemokrat blendet allerdings die unrühmliche Rolle aus, die Erhard während der NS-Zeit gespielt hat. Der Wirtschaftswissenschaftler leistete schon damals der deutschen Industrie treue Dienste. Er war Mitbegründer der Gesellschaft für Konsumforschung, die Daten für die nationalsozialistische Wirtschaftslenkung lieferte. In den letzten Kriegsjahren leitete Erhard das Institut für Industrieforschung, das von der Reichsgruppe Industrie finanziert wurde. Dort betrieb er die Nachkriegsplanung im amtlichen Auftrag der Naziregierung. Sein Ansprechpartner im Reichswirtschaftsministerium war der später zum Tode verurteilte SS-Kriegsverbrecher Otto Ohlendorf.

Dass sich Steinbrück nun beim SPD-Chef über den Vergleich mit Erhard beschweren wird, kann aber ausgeschlossen werden. Der Kanzlerkandidat zitiert immer wieder begeistert aus den Werken des mittlerweile verstorbenen CDU-Politikers. Gabriel und Steinbrück teilen hier eine gewisse Geschichtsvergessenheit.

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