Neue Wohnungspolitik im Visier

Mietertag in München kritisiert schwarz-gelbe Bilanz

  • Gabriele Oertel
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Mieterbund hat im Vorfeld für seinen seit gestern in München stattfindenden 65. Mietertag bereits diverse Fehlleistungen auf dem Wohnungsmarkt benannt. Ob das jedoch den dafür politisch Verantwortlichen auf die Sprünge hilft, darf bezweifelt werden. Der CSU-Bundesbauminister klemmt sich heute nicht umsonst die traditionelle Mieterkundgebung.

Die Zahlen sind bekannt - der Mieterbund (DMB) hat in den letzten Wochen die Öffentlichkeit intensiv mit der wachsenden Wohnungsnot im Land konfrontiert. Die 250 000 in Groß- und Universitätsstädten fehlenden Wohnungen, auf Tiefstniveau verharrende Neubauzahlen und auf Rekordhöhe rangierende Mietbelastungen dürften inzwischen zum Allgemeingut jedes durchschnittlich politisch Interessierten gehören. Ebenso wie persönliche Erfahrungen mit Preisexzessen bei Neuvermietungen, schrumpfenden Sozialwohnungsbeständen und überdurchschnittlichen Belastungen nach energetischer Modernisierung längst nicht nur Einzelfälle sind. Insofern wird der Dachverband der 320 örtlichen Mietervereine auf dem Mietertag bis Sonnabend mit seinen Forderungen nach einer anderen Wohnungspolitik wenig überraschen. Zumindest aber eine »schmerztherapeutische Maßnahme« verspricht sich DMB-Präsident Franz-Georg Rips vom geballten Aufschrei der Mieter in München.

Der dürfte dem SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück sogar gelegen kommen. Er nahm die Einladung des DMB für die heutige Kundgebung an, ebenso wie der Spitzenkandidat seiner Partei für die im Herbst stattfindende bayerische Landtagswahl, Münchens Bürgermeister Christian Ude. Steinbrück bietet das Auditorium eine günstige Gelegenheit, sein bislang von den Wählern nur suboptimal wahrgenommenes soziales Gewissen verbal ins rechte Licht zu rücken. Und weil der Praxistest bislang ja nicht stattfinden kann und die SPD zumindest in ihrem Wahlprogramm - ebenso wie Grüne und Linke - einer radikal anderen Wohnungspolitik das Wort redet, dürfte Steinbrück großer Applaus beschieden sein.

Das ist nicht allen SPD-Führungskräften auf vergangenen Mietertagen gelungen: Franz Müntefering bekam in seiner kurzen Zeit als Bundesbauminister von den Mietervertretern 1999 in Rostock einen Wecker geschenkt, damit Rot-Grün nach der Regierungsübernahme endlich aufwachen möge - was bekanntlich dann doch nicht stattfand. Und schlussendlich dazu führte, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder 2005 am Freitag vor der für ihn im Desaster endenden Bundestagswahl auf dem Kieler Mietertag geradezu auf Samtpfötchen um die Zustimmung der versammelten Delegierten zu seiner Politik bettelte.

Dennoch werden SPD-Vertreter auf Mietertagen vergleichsweise schonend behandelt. Als Anfang der 1990er Jahre die FDP-Bauministerin Irmgard Adam-Schwätzer in Potsdam den Mietervertretern ihre Aufwartung machte, verließ sie nach der massiven Kritik ihrer Politik durch den damaligen Mieterbundpräsidenten Gerhard Jahn wutschnaubend und vorzeitig den Saal. Auch Klaus Töpfer von der CDU hatte 1997 einen ziemlich schweren Stand in Nürnberg und wurde mit Protestplakaten begrüßt - der reagierte allerdings um Klassen souveräner.

Dafür kann Peter Ramsauer von der CSU offenbar nicht garantieren. Er jedenfalls hat »aus terminlichen Gründen« abgesagt und wird sich den Mietertag direkt vor seiner Haustür nicht antun. Irgendwie muss man das sogar verstehen. Ihm hatte Rips nämlich schon vor Tagen ins Stammbuch geschrieben, ohnehin nur ein klassischer Verkehrsminister gewesen zu sein, der »wenig bis gar nichts getan hat, um die Wohnungspolitik voranzubringen«.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -