Das Spielzeug kann ruhig zu Hause bleiben
Urlaub im Wiesenbett im Schwarzwald - Kinder können sich austoben und erfahren, wie einfach das Leben sein kann
Manche Momente bleiben. Vor allem dann, wenn die Tage ruhig vor sich hinplätschern und Zeit genug ist, diese Augenblicke auszukosten. So wie jetzt: Nach einem herrlichen, ereignislosen Tag, an dem wir auf einer Wiese zwischen Blumen und Grashalmen Schmetterlinge beobachtet haben, sitzen wir nun bis zum Hals in einem Holzzuber. Er ist randvoll mit heißem Wasser und würde noch mehr Menschen Platz bieten, als zwei Erwachsenen und zwei Kindern.
Die Sommernacht ist mild, selbst hier im Schwarzwald auf knapp 800 Metern Höhe. Über uns leuchten die Sterne und ein Bilderbuchmond. Um uns herum nur Stille, ein paar brennende Fackeln und eine Handvoll Zelte, die über den Hang verstreut in großem Abstand zueinander stehen und vom dunklen Wald umgeben sind. Weit unten, verborgen hinter Sträuchern und Bäumen, steht der Hilserhof. Zu ihm gehört die Alm, auf der unser Badezuber samt Sauna und unser Quartier steht: das Wiesenbett.
Hinter diesem romantischen Namen verbirgt sich aber nicht nur eine Unterkunft, sondern eine ganze Reihe von Zeltdomizilen in Europa. Ob in Holland, England oder Frankreich: Alle Wiesenbett-Unterkünfte sind gleich gestaltet, liegen im Grünen und sind an Bauernhöfe angegliedert. Damit Städter mal so richtig Landluft schnuppern können.
Unser Wiesenbett im Schwarzwald in der Nähe von Triberg sieht wie ein stabiles, übergroßes Hauszelt aus, hat aber im Inneren wenig mit den spartanischen Zelten zu tun, wie wir sie bisher kannten. Der Boden ist mit knarrenden Holzdielen ausgelegt, die Wände umgeben zwei Schlafzimmer mit richtigen Betten, und sogar eine Toilette mit Wasserspülung gibt es. Nur zum Duschen muss man hinunter in den Bauernhof gehen.
Die gute Stube im Zelt erinnert an ein Bauernhaus aus früheren Zeiten: mit einem Holzofen, dessen Bedienung uns in den nächsten Tagen auf Trab halten wird. Er ist gewissermaßen für kuscheligen Komfort zuständig - erhitzt das Wasser für Kaffee oder auch den Abwasch, spendet Energie zum Kochen und abends verbreitet er eine einschläfernde wohlige Wärme. Im Zelt gibt es außerdem ein Spülbecken mit fließendem kalten Wasser und eine Kaffeemühle an der Wand, an der die Kinder kaum vorbei gehen können, ohne kurz mal daran zu drehen. Wenn es abends kühl wird oder ein Gewitter über das Tal zieht, sitzen wir zum Spielen um den Esstisch. Für das nötige Licht sorgt ein Leuchter mit Kerzen. Das Schrankbett begeistert unsere Kinder, sieben und neun Jahre alt, ganz besonders, und wenn es in diesen Tagen doch mal Streit gibt, dann nur darum, wer nachts darin schlafen darf. Morgens rollen wir die Zeltwände nach oben, dann wird die Stube zur luftigen Terrasse. Auch die Umgebung ist eine Spielwiese für die Kleinen - und damit entspannend für Eltern. Das Spielzeug kann zu Hause bleiben, die Kinder brauchen hier höchstens ein Schnitzmesser.
Während morgens die Sonnenstrahlen langsam übern Berg ins Tal kriechen und die Feuchtigkeit der Nacht vertreiben, heizen wir den Ofen fürs Kaffeewasser an. Erst qualmt es mehr, als dass es brennt - wir haben einfach keine Übung mit solchen eigentlich einfachen Handhabungen. Mit der Zeit klappt es besser, dennoch lässt das Landleben keinen Platz für Hektik und den Plan, morgens schnell aufzubrechen und möglichst viel von der Umgebung zu sehen. Hier heißt es: warten, bis das Wasser kocht. Und das kann dauern!
Die Kinder schnitzen solange an einem Stock, beobachten Käfer, bauen einen Staudamm im Bach, der zwischen den Zelten ins Tal plätschert. Eine Katze schaut vorbei und will gestreichelt werden. Einer muss zum Bauernhof hinunter gehen, um Brötchen, Eier und tiefgekühlte Wärmflaschen zu holen, mit denen wir - in Ermangelung eines richtigen Kühlschrankes - in einer isolierten Holzkiste Butter, Käse und Milch frisch halten. Bis das Frühstück mit Kaffee, »Armen Rittern« aus der Pfanne und Mirabellen aus dem Garten des Bauernhofs auf dem Tisch steht, vergeht der halbe Vormittag.
Das Landleben beschäftigt uns, hier gelten andere Gesetze als zu Hause. Kein Handy stört die Ruhe, weil der Akku ohne Stromanschluss längst leer ist. Wir lassen uns treiben. Spazieren hinauf zum Fischteich, hören unterwegs das Knacken der Fichtenzapfen und pflücken Brombeeren, die sonnenwarm sind und süß schmecken. Die Kinder werfen Stöckchen für Hofhund Jack, der uns ein Stück des Wegs begleitet. Am Teich legen wir uns ins Gras. Die Kinder basteln aus Ästen kleine Boote und freuen sich, wenn der Wind sie übers Wasser treibt. Wir schwimmen im Teich, den wir - abgesehen von ein paar Fischen - ganz für uns haben und stellen uns mit Grausen vor, wie laut und voll es an diesem Nachmittag wohl zuhause im Freibad zugehen mag.
Später reiten wir auf den Pferden, die zum 400 Jahre alten Hilserhof gehören, durch den Wald. Die Kinder dürfen zu Bauer Bernd Wernet auf den Traktor steigen und mit ihm aufs Feld fahren. Ihre Begeisterung kennt keine Grenzen; das ist doch mal was anderes, als stundenlang vor dem Computer hocken. Wir Erwachsenen plaudern derweil mit der Bäuerin und erfahren, dass zu dem Hof neben den zwei Haflingern und dem Pony auch Hühner, Hasen, eine Handvoll Schweine und eine Herde Angusrinder gehören. Schon lange vermietet die Familie zwei Ferienwohnungen. Nun kümmert sich Barbara Wernet noch um die fünf Zelte und backt mit ihren Gästen Brot und Pizza im Backhaus.
Als sie zum ersten Mal die Wiesenbett-Bilder aus den Niederlanden gesehen haben, waren Barbara und ihr Mann gleich begeistert, erzählt die Bäuerin. Und fest entschlossen, solche Zelte auch in ihr Tal zu holen. »Der Naturtourismus boomt«, sagt Barbara, »die Menschen wollen wieder zurück zu den Wurzeln.« Das können sie nun bei ihr haben, und zwar unter sehr komfortablen Umständen. Es kommen auch viele Großeltern auf den Hilserhof, die mit ihren Enkeln ein paar Tage auf dem Land verbringen, mit ihnen fischen und ihnen zeigen wollen, wie das Leben ohne Heizung, fließend warmen Wasser und elektrisches Licht früher war.
Eigentlich müssten wir das ruhige Fleckchen gar nicht verlassen. Im Hofladen gibt es Obst, Gemüse, Milch und Käse und sogar Fleisch von den hofeigenen Angusrindern, das man abends auf den Grill legen kann. Irgendwann brechen wir aber doch ins benachbarte Triberg zu den Wasserfällen auf. Doch der Rummel am beliebten Ausflugsziel mit seinen Kuckucksuhren und Besuchern aus Deutschland, Amerika, Indien und Japan bringt uns völlig aus der frisch gewonnenen Ruhe. Gern und schnell kehren wir deshalb zurück ins gemachte Wiesenbett. Und beginnen wieder mit dem, was dort zur Hauptbeschäftigung gehört: Ofen anheizen und abwarten.
- Infos zum Wiesenbett im Schwarzwald: Barbara Bruker-Wernet, Hilserhof, Obertal 5, 78098 Triberg-Gremmelsbach, Tel.: (0 7722) 91 98 86, www.hilserhof.de
- In Deutschland gibt es ein weiteres Wiesenbett im Westerwald, weitere Bauernhöfe mit Wiesenbett-Zelten gibt es vor allem in den Niederlanden und England. Information unter Tel.: (0221) 82 82 90 39, www.wiesenbett.de
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