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Tunnel ohne Ende

Immer neue Probleme an der A 4-Trasse unterm Jagdberg bei Jena

  • Doris Weilandt, Jena
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Fertigstellung des Tunnelprojekts an der A 4 zwischen Jena-Göschwitz und Magdala in Thüringen verzögert sich immer wieder, die Baukosten steigen. Offenbar hat man das Wasserproblem falsch einschätzt.

Die Orchideen im thüriginschen Leutratal bei Jena stehen in voller Blüte. 27 Arten gibt es hier, so viele wie an keinem anderen Ort in Deutschland. Sie waren der Grund für den Beschluss zur Verlegung der Autobahn A 4 und zur Untertunnelung des Jagdbergs nördlich der bisherigen Strecke.

Baubeginn war 2008, die Fertigstellung sollte 2012 erfolgen. Die Nachbargemeinden, etwa Bucha am Westausgang des neuen Tunnels, hatten das Nachsehen. Immerhin: Sie erstritten mit ihrer Bürgerinitiative »Schutz intakter Lebensräume Bucha und Umgebung« e.V. vor Gericht einen Vergleich, der die Bepflanzung der gigantischen Wälle vorsieht, die die neue Autobahn rechts und links begrenzen. Tausende von Bäumen und Sträuchern werden gepflanzt, um die großflächige Geländemodellierung, die sich wie ein Bollwerk in die Landschaft schiebt, zu verschönern. Dazu kommen weitere Ausgleichsflächen.

»Wir wollten den Tunnel nicht, jetzt müssen wir damit leben und kommen unseren Verpflichtungen nach«, sagt Lutz Redlich, parteiloser Bürgermeister von Bucha, vorher Vorsitzender der Bürgerinitiative, ohne Verbitterung. Dazu gehört die Ausbildung und Ausstattung der Freiwilligen Feuerwehr für Einsätze am Westportal des Tunnels. Allein 500 000 Euro kostet das Feuerwehrhaus, das zu großen Teilen von der Gemeinde finanziert werden muss. Kosten, die - wie andere auch - keiner vorhergesehen hat.

Es scheint inzwischen zur Normalität auf deutschen Großbaustellen zu gehören, dass mit niedrigen Zahlen operiert wird, um das Projekt durchzusetzen, dann folgt ein Nachtrag dem nächsten. Im Raumordnungsverfahren zum Jagdbergtunnel wurden die Gesamtkosten noch mit 260 Millionen Euro beziffert. Aktuell spricht das Land Thüringen von 335 Millionen Euro. Nachdem sich die Eröffnung des Tunnels wieder um ein Jahr verschob, fragte die Thüringer FDP im Herbst vergangenen Jahres beim zuständigen Bauministerium nach den Gesamtkosten und erhielt die Antwort: »Die Gesamtkosten können derzeit noch nicht beziffert werden.«

Fast eine Million Euro wurden beim Jagdbergtunnel für Baugrundgutachten ausgegeben. Trotzdem kam es zu offenbar unvorhergesehenen Wassereinbrüchen, denen die Bauverzögerung und Zusatzkosten geschuldet sind. Das sulfathaltige Wasser, das in den Tunnel eindringt, greift den Beton an. Vier Sammelbecken unterhalb der Fahrbahn fangen nun das Wasser ab, das letztlich in die Saale abgeleitet wird. Außerdem musste die Sohlabdichtung im Osten verlängert werden. Allein diese beiden Maßnahmen kosteten 16 Millionen Euro zusätzlich.

Klaus Götze, Hydro-Geologe und zum Zeitpunkt der Tunnelplanung stellvertretender Vorsitzender des NABU Thüringen, hat von Anfang an gesagt, dass auf die hydro-geologischen Schichten geachtet werden muss. Der Berg liegt im Einzugsgebiet einer Karstspaltenquelle, die sehr viel Wasser liefert. Wie groß dieses Einzugsgebiet ist, sei nicht berechnet worden, so der Fachmann. Götze bezweifelt, dass es genaue Kenntnis über die Ursachen des Wassereinbruchs gibt und die im Leutratal befindlichen Quellen hinsichtlich ihrer Wassermenge überprüft wurden. Von »Wasserwegen entlang von Klüften im Kalkstein, über geologische Störungen und entlang von Schichtfugen im Rötgestein« spricht das Thüringer Bauministerium.

Schmetterlingsforscher Rainer Plontke, der seit Jahren im Leutratal Insekten beobachtet, fällt seit einiger Zeit austretendes Wasser auf, das es vor dem Eingriff in den Berg nicht gab. Er fragt sich besorgt, ob der Talhang entwässert. Andere beobachten das Trockenfallen von Brunnen. Momentan vermag niemand zu sagen, wie es sich wirklich verhält. Als Eröffnungstermin für den Tunnel ist nun Mitte 2014 vorgesehen, auf Konkreteres legen sich die Tunnelbauer derzeit nicht fest.

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