Von Gewerkschaftern und Parasiten
Die Äußerungen des israelischen Handelsministers sind Ausdruck eines Machtkampfes zwischen Histadruth und Regierung
Mit einer Äußerung auf »Facebook«, die auch als Aufruf zur Vernichtung von Hafenarbeitern verstanden werden kann, hat Israels Handelsminister Naftali Bennett für Empörung gesorgt. Zuvor hatte er bereits angeregt, das Militär gegen streikende Arbeiter einzusetzen.
»Jetzt reicht's, ich kann diese Ameisen nicht mehr ertragen«, schrieb Naftali Bennett, Vorsitzender der rechtsnationalen Partei HaBajit Hajehudi auf seiner »Facebook«-Seite: »Sie sind in der Küche, im Wohnzimmer und im Gästezimmer. Ich bin gerade nach Hause gekommen und entschieden, dass dringendes Handeln erforderlich ist. Ich habe den Vernichter gerufen.« Nun sind Ameisen in vielen israelischen Haushalten ein Problem, und diese Aussage ist deshalb nichts, woran man im Normalfall einen Extragedanken verwenden würde.
Wenn Bennett nicht auch Industrie- und Handelsminister wäre, das hebräische Wort Namalim nicht gleichzeitig »Hafenarbeiter« bedeuten und Bennett nicht bereits seit einiger Zeit mit Volldampf auf Konfrontationskurs mit dem Personal der Seehäfen befände, und dabei schon einige kontroverse Ideen angesprochen hätte.
Wie zum Beispiel diese: Israels Regierung solle das Militär einsetzen, um die ziemlich oft vorkommenden Arbeitskämpfe an den Häfen zu unterbinden, heißt es in einem internen Papier, das mit dem Codenamen »1981« versehen ist - nach jenem Jahr, in dem Ronald Reagan die streikenden amerikanischen Fluglotsen feuern und durch Militärangehörige ersetzen ließ. Für den Fall eines Generalstreiks der Hafenarbeiter sieht der Plan Ähnliches vor - wobei das Papier wohl eher dazu gedacht gewesen sein dürfte, die Gewerkschaft einzuschüchtern.
Im Kern geht es bei dem Streit zwischen Politik und Hafenarbeitern darum, dass die Regierung das Monopol der Gewerkschaft Histadruth brechen will, ohne deren Segen an den sich im staatlichen Besitz befindenden Seehäfen nichts läuft - was zu häufigen Ausständen führt. Denn die Arbeitsbedingung sind schlecht; die Löhne trotz mehrmaliger Erhöhungen nach wie vor unter Durchschnitt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich dies ändert, ist trotz der Macht der Gewerkschafter nicht hoch.
Denn weil 99 Prozent der importierten Güter über den Seeweg das Land erreichen, führt jede Steigerung der Abfertigungskosten an den Häfen zu Preissteigerungen in den Läden. Und dort mussten die Konsumenten in diesem Jahr bereits zwei Erhöhungen der Mehrwertsteuer verkraften.
Für die Arbeiter, die ebenfalls die zweiprozentige Einbuße verkraften müssen, bleibt da wenig Spielraum, zumal Bennett schon jetzt kräftig daran arbeitet, die Öffentlichkeit gegen sie aufzubringen: Sie seien gierig und rücksichtslos, behauptet er, und das auf Kosten der Durchschnittsisraelis.
Mit seiner Ameisenaussage, aber auch dem »1981«-Papier, hat er nun allerdings dafür gesorgt, dass die Öffentlichkeit auf die Situation der Arbeiter aufmerksam wird - und Umfragen zufolge erstaunlicherweise auch Verständnis für sehr drastische Maßnahmen zeigt - also jenen Generalstreik, auf den »1981« anspielt.
Bislang schreckte die Histadruth davor zurück, wohl wissend um den dann zu befürchtenden Aufschrei, und beschränkte sich auf örtliche begrenzte Arbeitskämpfe. Doch nicht allein die gestiegene öffentliche Aufmerksamkeit lässt den Generalstreik zur Option werden - »es besteht die Gefahr massiver Einschnitte«, sagt Histadruth-Chef Ofer Eini.
Denn die Regierung würde am Liebsten die Häfen privatisieren, was allerdings kaum durchsetzbar ist. Die Häfen sind auch strategisch wichtig. Es ist undenkbar, dass der Sicherheitsapparat unwidersprochen hinnehmen wird, dass sich eine Teil der strategischen Infrastruktur sogar in ausländischer Hand befindet. Und so ist der Plan, einfach einen neuen, sehr großen Hafen zu bauen, der privat betrieben wird, und damit nicht an die Tarifverträge der Regierung gebunden ist. Dieser Hafen soll allein der Abwickelung des Güterverkehrs dienen. Die anderen Häfen sollen dann vor allem militärisch genutzt oder geschlossen werden.
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