Gesinnungsjournalismus

Jürgen Amendt über den Prozess im Fall Jonny K. und den Umgang der Medien

  • Lesedauer: 1 Min.

Von Max Weber stammt die feine, aber bedeutende Unterscheidung zwischen Verantwortungs- und Gesinnungsethik. Der Soziologe bezog sich damit vor fast 100 Jahren auf den Beruf des Politikers. Dem Gesinnungsethiker geht es in erster Linie um die moralische Richtigkeit seines Tuns, die Folgen blendet er weitestgehend aus. Der Verantwortungsethiker berücksichtigt die voraussehbaren Folgen seines Handelns bei seinen Entscheidungen.

Im Wesentlichen gibt es heute kaum noch gesinnungsethisch handelnde Politiker. Die so entstandene Lücke haben eine Reihe von Journalisten gefüllt. Beispielhaft dafür ist die inszenierte Empörung der Berliner Boulevardpostille »B.Z.« über die Neuansetzung des Prozesses um den Tod von Jonny K. Der 20-Jährige war im Oktober 2012 von einer Gruppe junger Männer am Alexanderplatz zusammengeschlagen worden und wenige Tage später an den Folgen der Prügelattacke verstorben. Der Prozess gegen die sechs Angeklagten musste Anfang der Woche wegen der Befangenheit eines Schöffen abgebrochen werden und begann am Donnerstag von vorne. Der ehrenamtliche Richter hatte in einem Interview mit der »B.Z.« u.a. die Verteidiger der sechs Angeklagten kritisiert und wurde dafür von dem Blatt als »mutiger Schöffe« gefeiert.

Das ist rechte Gesinnung, journalistisch verantwortlich ist es nicht.

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