Schwierige Hungerbekämpfung in Lateinamerika

Während Kuba und Venezuela Erfolge verzeichnen, verschlechtert sich die Lage in Paraguay und Mexiko

  • Harald Neuber
  • Lesedauer: 3 Min.
In Lateinamerika kommt es immer wieder zu Hungerkrisen. Grund dafür sind strukturelle Probleme und die neoliberale Agrarpolitik.

Der Kampf gegen die Unterernährung ist in Lateinamerika und der Karibik nach wie vor eine wichtige Aufgabe. Unabhängig von der politischen Ausrichtung können die Staaten die Nahrungsmittelversorgung nicht komplett sicherstellen. Das belegt: Die Gründe für die immer wieder auftretenden Versorgungsengpässe liegen in den postkolonialen Strukturen, in der ungleichen Landverteilung oder der Ausgrenzung großer Bevölkerungsteile vom wirtschaftlichen Prozess.

Zuletzt hat sich die Welternährungsorganisation FAO verstärkt in die Debatte eingemischt. Demnach sind die Lebensmittelpreise in Lateinamerika allein im März um 1,3 Prozent gestiegen. Die FAO drängt daher auf Schutzmaßnahmen für sozial benachteiligte Teile der Bevölkerung. In einem offenen Brief an Kubas Revolutionsführer Fidel Castro - schon das ist eine politische Aussage - hob FAO-Chef José Graziano da Silva vor wenigen Wochen die Erfolge Kubas und Venezuelas im Kampf gegen Unterernährung hervor. Die beiden Staaten hätten die 1996 vereinbarte Halbierung der Anzahl von Menschen mit Unterernährung vor dem vereinbarten Jahr 2015 erreicht, betonte Graziano da Silva. Insgesamt konnten dieses Resultat weltweit 15 Länder vermelden.

Dass Kuba und Venezuela dazu gehören, ist kein Zufall. Die linksregierten Staaten haben in den vergangenen Jahren die soziale Infrastruktur massiv ausgebaut. In Venezuela wurden landesweit Schulspeisungen eingeführt und eine Kette staatlich subventionierter Lebensmittelmärkte gegründet. Wie die FAO bestätigt, konnte die Anzahl der unterernährten Menschen von 13,5 Prozent 1992 auf fünf Prozent gesenkt werden.

Vor allem die linksgerichtete Bolivarische Allianz (ALBA), ein Bündnis von gut einem Dutzend lateinamerikanischer und karibischer Regierungen, drängt aber auf strukturelle Reformen. Der großflächige Anbau sogenannter Flex Crops hat die Versorgungslage massiv verschlechtert. Zuckerrohr, Soja und Ölpalmen gelten als »flexible« Anbauprodukte, weil sie als Lebensmittel und Rohstoff für Agrarsprit verkauft werden können. Die schnell wachsenden Industrien in Schwellenländern wie Brasilien, China und Indien verlangen immer mehr Rohstoffe. Auch der US-Markt setzt auf die Agrarzulieferer aus dem nahen Mittelamerika. »Die USA haben 2012 rund 138 Millionen Tonnen Mais und Hunderte Millionen Tonnen Getreide verbrannt, um Bio-Ethanol und Bio-Diesel herzustellen«, sagt der ehemalige UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Jean Ziegler.

Das Paradebeispiel für eine gescheiterte Agrar- und Nahrungsmittelpolitik ist Paraguay. Der von einer Clique von Großgrundbesitzern regierte Staat gilt als Kornkammer Südamerikas. Der Internationale Währungsfonds bestätigt ein durchschnittliches Wachstum von 3,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zwischen 2003 und 2012. Die FAO-Zahlen zeigen die Schattenseite der ausgedehnten Soja-Monokulturen in den Händen weniger Familien: 25,5 Prozent der Bevölkerung sind unterernährt, darunter über eine Million Kinder. Der jüngste Bericht des Welternährungsprogramms vergleicht Paraguay mit Hunger- staaten Afrikas.

Vor allem Venezuela und Kuba drängen angesichts dieser Entwicklung auf eine stärkere Zusammenarbeit in der Region. Das südamerikanische Handelsbündnis Mercosur, hieß es unlängst aus Caracas, strebe über eine Reihe zwischenstaatlicher Abkommen die Absicherung der Ernährungssouveränität an. Das würde auch die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Zulieferern bedeuten.

Ein Negativbeispiel in der Bekämpfung der Ernährungskrise bietet neben Paraguay die neoliberale Regierung Mexikos. Durch die Beteiligung transnationaler Konzerne wie Nestlé oder Pepsico an dem von der Staatsführung ausgerufenen »Kreuzzug gegen den Hunger« nimmt minderwertiges »Junk Food« eine immer wichtigere Rolle in der täglichen Ernährung der Menschen ein. Rund 50 Prozent der Bevölkerung ernähren sich nach Angaben des Regionalvertreters der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation, Enrique Jacoby, von sehr fett-, salz- und zuckerhaltigen Fertigprodukten.

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