Türkei erlebt ihre eigene 68er Rebellion
Türkischer Sozialwissenschaftler: Proteste sind »demokratische Neuerfindung des Landes«
Berlin (nd). Die Türkei erlebt derzeit ihre eigene »68er-Rebellion«. Dieser Meinung ist der Sozialwissenschaftler Serhat Karakayali. Im Interview mit »neues deutschland« bezeichnet er die derzeitigen Proteste in Istanbul und anderen türkischen Großstädten als eine »demokratische Neuerfindung des Landes«.
Die Bürger seien »nicht mehr Anhängsel des Staatsapparats«. Dies erkläre auch die Heftigkeit der Proteste, die sich an geplanten Bauprojekten oder strengeren Regeln zum Verkauf von Alkohol entzündeten. Damit, so der in Duisburg geborene Wissenschaftler, habe die regierende AKP mit Premierminister Recep Tayyip Erdogan in die »Vielfalt von Lebensweisen, die sich vor allem im urbanen Raum entwickelt haben«, massiv eingegriffen.
Dass das in der Türkei stets mit viel Macht und Einfluss ausgestattete Militär in den aktuellen Konflikt eingreifen könnte, hält Karakayali, der sich in jüngster Zeit in Istanbul aufgehalten hat, für ausgeschlossen. Erdogan und die AKP hätten das Militär faktisch entmachtet. Auch das symbolisiere die Dialektik der augenblicklichen Entwicklung in der Türkei. Erdogan habe mit seiner Politik zwar einerseits die Gefahr einer konservativ, islamisch geprägten Einschränkung von persönlichen Freiheiten hervorgerufen, gleichzeitig aber mit der wirtschaftlichen Liberalisierung und der Abkehr von der autoritären Staatsdoktrin des Gründers der modernen Türkei, Mustafa Kemal Atatürk, die Grundlagen für eine »nachholende Demokratisierung« der Gesellschaft geschaffen.
Lesen Sie das komplette Interview am 13. Juni auf Seite 3 in »neues deutschland«.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.