Eine ganz besondere Duftmarke
Lia Mößner aus Berlin
Als das geschah, war ich in der LPG »Frohe Zukunft« der Vorsitzende und meine Frau für die Buchhaltung zuständig. Und wenn Not am Mann war, sprang sie ein. Wir lebten in der guten Mecklenburger Landluft ruhig und zufrieden. Natürlich gab es in der Arbeit hin und wieder Ärger, vor allem mit dem Wetter. Entweder war es zu trocken oder zu nass, und wir hatten nicht genügend Futter für unsere Tiere. Außer einer Rinderherde besaßen wir auch eine Schweinemast. Oder die Technik versagte, und die MTS hatte sämtliche Technik ausgeliehen.
Manchmal gab es auch Ärger mit dem Personal, die ja alle auch Eigentümer, Genossenschaftsmitglieder waren. Wie Franz, der für den Schweinestall verantwortlich war und plötzlich ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Blinddarm! Für ihn musste ich sofort einen Ersatzmann finden. Da die Stallreinigung weitgehend mechanisiert war, kam auch eine Frau infrage. Dabei dachte ich an Linda, die alleinstehend und Mutter von zwei Töchtern war. Sie konnte ein paar Mark zusätzlich gut gebrauchen. Zuerst sprach ich natürlich mit meiner Frau. »Friedel«, sagte ich, »du übernimmst die ersten 14 Tage, und Linda löst dich ab.« »Was! In den Schweinestall soll ich?«, rief Friedel außer sich. »Was du nur hast?«, fragte ich. »Du magst doch die süßen Ferkel. Jedoch vor Alfons, der nur faul in der Ecke liegt und schwitzend grunzt, vor dem musst du dich in acht nehmen, der ist unberechenbar. Dazu verdienst du doch noch ein hübsches Sümmchen und kannst dir in Greifswald im Exquisit etwas Schönes kaufen«.
Friedel sah mich mit ihren großen braunen Augen lange durchdringend an. »Ich mach' s,« sagte sie plötzlich, »aber nur, wenn du mir versprichst, an einem Wochenende mit mir zur Ostsee zu fahren. Ich möchte im Meer schwimmen, einen Strandspaziergang machen, Bernstein und Hühnergötter suchen, faul sein, nichts tun und herumschlendern.« Wir waren im Sommer vor zehn Jahren das letzte Mal mit unseren Kindern an der See. Ich dachte, das kannst du ihr nicht abschlagen. »Also gut,« sagte ich, »ich verspreche es.«
Am Vormittag schaute ich dann kurz im Schweinestall nach ihr. »Du kontrollierst mich?«, fragte sie spitz und drohte mir mit der Mistgabel. »Nein, nein«, widersprach ich, »nur wegen einer Rechnung, aber das eilt nicht.« Und weg war ich.
Am nächsten Abend - während der »Aktuellen Kamera« - knöpfte sie mir Hemd und Hose auf und zog mich fast aus. Das war ein ganz neuer Zug an ihr. Ich dachte, sie sei von der ungewohnten körperlichen Arbeit müde, aber das Gegenteil war der Fall. Friedel hatte Frühlingsgefühle. Sie fiel im Bett regelrecht über mich her. Und so ging das jeden Abend. »Ich muss arbeiten«, stöhnte ich. »Ich auch«, lachte Friedel. Ich hielt das kaum noch aus. »Wir sind 25 Jahre verheiratet, haben zwei erwachsene Kinder, die studieren.« »Na und? Willst du damit etwa sagen, dass du ein Schlappschwanz bist?« Das konnte ich natürlich nicht auf mir sitzen lassen.
Am Morgen sah ich im Spiegel wie eine weiß gekalkte Wand aus, und meine Lenden zitterten. Die Kollegen frotzelten schon und fragten, ob ich krank sei. So ging das nicht weiter. Ich traute mich ja kaum noch nach Hause und richtete mir im Büro die abgewetzte alte Couch zum Schlafen her. Nach dieser Nacht war ich wie gerädert, und Friedel schäumte. »Du alter Schlappschwanz, du Feigling!«, schimpfte sie. »Hast du etwa eine andere?« Ich arbeitete alles Liegengebliebene auf. Gegen Mitternacht schlich ich dann in unser Häusel. Die Dielen knarrten, und die Türscharniere schrien nach Öl. Und Friedel schlang, halb im Schlaf, ihre muskulösen, festen Beine um mich. Und gottlos, wie ich war - mein Gott war die LPG »Frohe Zukunft« - betete ich Friedels Vertretungsende herbei.
Doch als Linda den Schweinestall übernommen hatte, wurde Friedel auf einmal viel ruhiger. Aber mit Linda gab es jetzt täglich Ärger. Angeblich grapschte sie nach unseren jungen Männern, und mir drückte sie sogar einen Kuss auf die Wange. Und Alfons war plötzlich hinter jeder Sau her.
Erst als ich Friedel die liegengebliebene Tierarztrechnung übergab, klärte sich alles auf. Der Doktor hatte im Schweinestall Pheromone versprüht - ähnlich unseren Hormonen - damit wir zu mehr Nachwuchs kommen. Dass dieser Duft- und Lockstoff auf unsere Frauen die gleiche Wirkung hat - wer denkt denn an so was?
Übrigens: Die Tage an der Ostsee waren einfach wunderbar.
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