Gipfelgegner machen auch ohne Mobilfunk mobil
Vorbereitungen auf das G8-Treffen in Nordirland von Protesten und Repressionen geprägt
Der Dachverband der irischen Gewerkschaften hatte im Verbund mit Amnesty International, Friends of the Earth und weiteren Kampagnenvertretern ein viertägiges Rahmenprogramm unter dem Motto »Ihr seid G8, wir sind 7 Milliarden - Zeit für eine gerechtere Welt« zusammengestellt. Die friedliche Demonstration fand unter selbst für nordirische Verhältnisse ungewohnt massiver Polizeipräsenz statt und endete am Belfaster Rathaus, dessen Fenster seit Wochen vorsorglich mit Plexiglas verkleidet sind. Die kleiner als erwartete Zahl der Teilnehmer ließ sich nach Ansicht der Veranstalter nicht nur auf das irische Wetter, sondern auch auf Einschüchterung zurückführen. Seit Wochen warnten Polizei und Medien vor anreisenden Anarchisten und Gewalttätern, und die Polizei war in Bereitschaft, vorsichtshalber einige der zahlreichen leer stehenden Gebäude in Belfasts Zentrum zu besetzen. Selbst die Queens University ist für Tage geschlossen.
Brian Campfield, Generalsekretär von NIPSA, der größten Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes in Nordirland, war jedoch zufrieden mit der Teilnehmerzahl und der Vielfalt der Gruppen, die sich unter dem Motto »Eine andere Welt ist möglich« zusammengefunden hatten. »Das Zusammenkommen so unterschiedlicher Gruppen setzt ein deutliches Zeichen unserer Opposition gegen G8 und die Förderung internationaler Konzerne, während wir mit den Auswirkungen der Sparprogramme, der Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen und dem Angriff auf das Sozialsystem kämpfen.«
Am Beginn der Geschichte der »Gruppe der Acht« (G8) stand eine Sechserrunde: Bundeskanzler Helmut Schmidt und der französische Präsident Valery Giscard d’Estaing luden 1975 nach Rambouillet. Auf der Gästeliste waren die Staats- und Regierungschefs aus den USA, Großbritannien, Italien und Japan. Im Mittelpunkt der Gespräche standen das Weltwährungssystem nach dem Kollaps des auf den Dollar ausgerichteten Fixkurssystems von Bretton Woods aus dem Jahre 1944 und die erste Ölkrise.
1976 durfte Kanada beitreten und machte die G7 als Club der damals wirtschaftlich führenden Nationen der westlichen Welt komplett. 1999 wurde Russland aufgenommen - es entstand die G8. Einmal jährlich treffen sich die Staats- und Regierungschefs zum Weltwirtschaftsgipfel, an dem auch die Europäische Kommission teilnimmt. Die G8-Staaten haben jedoch an Stellenwert verloren. 2009 wurde die Runde der G20 zum »obersten Forum für internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit« aufgewertet. Dazu gehören die EU und 19 Staaten: Argentinien, Australien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Kanada, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, Türkei und die USA. ML
Die Gegenveranstaltungen am heutigen Montag in Enniskillen werden überwiegend von örtlichen Gruppen gegen das in Fermanagh und Leitrim drohende Fracking getragen, das langfristig weite Teile der Wasserversorgung der irischen Insel bedrohen kann.
Seit Monaten laufen die Sicherheitsvorkehrungen der Geheimdienste und Polizeikräfte. Zu den 5000 nordirischen Polizisten kommen 3600 aus dem restlichen Königreich, die Armee steht zur Unterstützung bereit. Zwei unbemannte Überwachungsdrohnen wurden angeschafft und seit Mitte Mai zieht sich ein kilometerlanger und bis zu sechs Meter hoher Sicherheitszaun um das in Konkursverwaltung befindliche Luxusressort am Lough Erne. Wiesen und Felder sind mit Stacheldraht abgesperrt, zusätzliche Sicherheitskameras installiert, Taucher überwachen die Wasserwege und der Luftraum ist seit dem Wochenende weiträumig gesperrt. Die Sicherheitskosten des Gipfels werden auf 60 Millionen Euro geschätzt, davon entfallen allein vier Millionen auf den Zaun, der überwiegend von der Sicherheitsfirma G4S patrouilliert wird.
Auf irischer Seite sind nahezu eintausend Mitglieder der Garda Síochána (irische Polizei) im Einsatz und die irische Regierung hat gerade im Eilverfahren die gesetzlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, das Mobilfunknetz zeitweise außer Betrieb zu setzen, mit der Begründung, dass Mobiltelefone als Fernauslöser für Bomben dienen könnten.
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