Razzien in 41 Klubs
Verdacht auf Geldwäsche und Steuerbetrug: Italien droht der nächste Fußballskandal
Stellt in Italien der Fußball das Rollen ein, treten die Rollkommandos der Polizei in Aktion. Die letzten beiden Sommer waren von Festnahmen im Wettbetrugsskandal geprägt. 2006 ging es dem damaligen Juventus-Manager Luciano Moggi wegen Schiedsrichterbestechung an den Kragen. Dieses Mal steckt sein Sohn Alessandro im Zentrum. Ihm und zehn weiteren Spielerberatern wirft die Staatsanwaltschaft Neapel illegale Finanzgeschäfte bei Spielerverkäufen, bei der Vertragsgestaltung, der Versteuerung der Einnahmen und dem Managment von TV- und Bild-Rechten vor. Mehr als 50 Verträge werden beanstandet. Im Visier stehen 41 Klubs, darunter 18 der Serie A. Illustre Namen wie Meister Juventus Turin, Vizemeister SSC Neapel und der AC Mailand sowie Pokalsieger Lazio Rom sind darunter. Bei den Serie A-Absteigern Palermo und Pescara gesellen sich zur düsteren sportlichen Zukunft nun auch juristische Probleme. Einige Spielernamen, um deren Verträge es sich handeln soll, kursieren ebenfalls: Ezequiel Lavezzi (einst Neapel, jetzt Paris St. Germain), Antonio Nocerino (AC Mailand), Ciro Immobile (FC Genoa) sowie Giuseppe Sculli vom Klose-Klub Lazio Rom.
Mit dem Verdachtsfall Lavezzi begannen die Untersuchungen. Bereits Anfang Oktober 2012, wenige Augenblicke nur, nach dem die Spieler des SSC Neapel zum Europa League-Spiel beim PSV Eindhoven aufgebrochen waren, traf die Polizei in der Geschäftsstelle des Vereins ein. Sie beschlagnahmte Unterlagen von Spielertransfers und stellte entsprechende Dokumente auch beim Sitz des Verbandes FIGC in Rom sicher. Nach Auswertung dieser Unterlagen ordnete die Staatsanwaltschaft Neapel die jüngsten, wesentlich umfangreicheren Razzien an. Unklar ist bislang, inwieweit neben den Spielerberatern auch die Klubs selbst unlauterer Methoden verdächtigt werden.
Die mit großem Aufwand durchgeführten Beschlagnahmungen - über tausend Polizisten sollen im Einsatz gewesen sein - treffen den italienischen Klubfußball in einem Moment der finanziellen und sportlichen Krise. Leistungsmäßig ist der Abstand zur spanischen und englischen Liga und auch der Bundesliga weiter gewachsen. Die finanzielle Situation hatte Palermos Präsident Maurizio Zamparini kürzlich hinreichend mit der Klage beschrieben, dass sich »mit dem Fußball kein einziger Euro mehr verdienen« ließe. Die Forderungen der UEFA nach einem »Financial Fairplay« haben die früher üblichen Finanzspritzen eingedämmt. Jeder Verein trachtete danach, seine teuren Spieler schnell loszuwerden. Das stellte sich aber als so gut wie unmöglich heraus, weil die anderen Klubs in einer ähnlichen Situation steckten. Es gab keine Abnehmer. Die Spielergewerkschaft AIC beklagte daraufhin eine erhöhte Anzahl von Mobbingfällen - Versuchen von Klubs, durch gezielte Maßnahmen wie Training nicht mit dem gesamten Kader einzelne Spieler zum Weggehen zu treiben. Ein signifikanter Abbau des Spielerkaders gelang lediglich dem AC Mailand, der sich binnen zweier Sommer von einer ganzen Spielergeneration trennte. Die jetzt von der Staatsanwaltschaft aufgedeckten illegalen Finanztricks stellten offenbar ein Mittel dar, trotz des allgemeinen Geldmangels doch noch Spielereinkäufe tätigen zu können. Unter die Lupe der Ermittler ist auch die Scouting-Praxis, also die vertragliche Vorverpflichtung von Talenten, geraten. Hier hatte in der Vergangenheit ein regelrechter Wettbewerb eingesetzt, über Jobangebote für die Eltern die jungen Kicker zu ködern.
Pikant ist in der ganzen Angelegenheit, dass Alessandro Moggi erst in diesem Frühjahr mit einem großen Fest - es kamen u. a. Juve-Manager Giuseppe Marotta und Milan-Vizepräsident Adriano Galliani - offiziell wieder ins Spielerberatergeschäft einstieg. »Nach der Durchquerung der Wüste kommen wir mit einem noch ambitionierteren Projekt zurück«, tönte er gegenüber der »Gazzetta dello Sport«. Die Ambitionen scheinen von betrügerischen Energien gespeist.
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