Regierung spart in die Sackgasse
Generalstreik legte Portugal lahm / Ex-Präsident Soares warnt vor Revolution
Die konservative portugiesische Regierung war am Donnerstag mit ihrem vierten 24-stündigen Generalstreik konfrontiert. Es war der bisher stärkste Streik, denn die beiden großen Gewerkschaftsverbände CGTP und UGT hatten gemeinsam mit Einzelgewerkschaften zum »großen Ausstand« aufgerufen. Ihr Ziel ist, die Regierung unter Pedro Passos Coelho zu stürzen. Der Unmut gegen deren und von der internationalen Gläubigertroika auferlegten Austeritätspolitik ist so groß, dass auch die »Bewegung christlicher Arbeitnehmer« sich solidarisierte und der Regierung vorwarf, »nur den Interessen der Mächtigen und der Wirtschaft« zu dienen.
Der Streik begann schon in der Nacht im öffentlichen Dienst, wo erneut 30 000 Stellen gestrichen werden sollen. Um weitere sechs Milliarden Euro zu sparen, sollen auch Renten gekürzt werden. Stadtreinigungen und Müllabfuhren nahmen ihren Dienst nicht auf. Besonders stark war der Streik im Transportsektor. Flüge wurden gestrichen. Züge, Fähren, Metros und Busse fielen fast vollständig aus. In den Behörden blieben Schalter geschlossen. Stark war auch die Beteiligung in den Häfen und der Industrie. Einige Betriebe, wie ein Volkswagen-Werk nahe der Hauptstadt Lissabon, hatten schon im Vorfeld einen arbeitsfreien Tag eingeplant.
Armenio Carlos, Generalsekretär des kommunistisch orientierten großen Verbands CGTP und Carlos Silva, Chef der kleineren UGT, führten schon in der Nacht die Streikposten an. Carlos sprach von einem Kampf für alle, denn alle seien von immer neuen Einschnitten betroffen. »Es ist ein Kampf für die Würde derer, die in Portugal leben und arbeiten«. Für Silva war es der erste Generalstreik als Generalsekretär.
Die Menschen müssten eine Gewissensentscheidung treffen, sagte Silva. Viele hätten angesichts der Rekordarbeitslosigkeit Angst zu streiken. Andere können es sich nicht leisten, einen Tageslohn zu verlieren. »Ich verstehe die Streikgründe, aber ich kann leider nicht«, sagte der 26-jährige Marco Cunha Streikenden an einer Me᠆trostation in Porto. Menschen wie ihm erklärt der UGT-Chef: »Wenn wir jetzt unsere Rechte nicht verteidigen, wird es noch schlimmer«. Der UGT, die auf Sozialpartnerschaft ausgerichtet ist und eher einen schlechten Kompromiss aushandelt, als kein Abkommen zu haben, sei die Streikentscheidung schwer gefallen. Wegen der »Gefühlslosigkeit, Sturheit und Arroganz« der Regierung sei aber kein anderer Weg geblieben, sagte Silva.
Nicht nur die Gewerkschaften werfen der Regierung vor, das Land mit dem Sparkurs immer tiefer in die Krise zu stürzen. Portugal steckt seit drei Jahren in der Rezession. Die Arbeitslosenquote liegt bei 18 Prozent. Auch deshalb steigt das Haushaltsdefizit.
Im Land keimt eine immer rebellischere Stimmung auf. Verdutzt schaut man auf die Vorgänge in der früheren Kolonie, wo die brasilianische Regierung auf die Proteste eingeht. Der ehemalige Staats- und Regierungschef Mario Soares hatte kurz vor dem Generalstreik davor gewarnt, dass die »Angst« und die Tatsache, dass Menschen in Portugal hungern, zu einer »Revolution« führen könnten, sagte er mit Blick auf Brasilien. Der Sozialist sprach von der »Verzweiflung« vieler, die in Gewalt umschlagen könne, weil viele nicht einmal mehr ihre Kinder ernähren könnten. Man habe es nur noch mit einer »Pseudodemokratie«, die Regierung wirke »paralysiert und ziellos«.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.