Gemeinsam gegen das Hamsterrad
Eine Antwort auf die Frage »Wie weiter?« hängt zum einen stark von der Einschätzung, der Auswertung und Bewertung der gegenwärtigen Proteste und Bewegungen ab - zum anderen von der Perspektive, die mit den Protesten verfolgt wird. Daher unterscheiden sich nicht nur Aktionsformen sowie Inhalte, Ausrichtungen und Zielsetzungen, sondern auch Strategien für den Fortgang der Proteste.
Die Blockupy-Aktionstage dieses Jahr in Frankfurt am Main waren geprägt von zwei Bildern: von Aktionen des zivilen Ungehorsams und zwei verhinderten Demonstrationen. Das zeitweilige Außer-Betrieb-Setzen, das öffentlich angekündigte Markieren zentraler Krisenakteure, die Aneignung öffentlichen Raumes durch kreative, polarisierend ungehorsame Aktionen drückten zum einen eine Unversöhnlichkeit mit dem Regieren der Troika aus, zum anderen konnten sie wirksam stören. Die illegalen Verbote der Demonstrationsrouten wurden letztendlich sogar gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt faktisch durchgesetzt. Die Exekutive erhob sich eigenmächtig über die Urteile der Legislative. Dieses Vorgehen entlarvt das Demokratieverständnis der Verantwortlichen in Politik und Polizei. Jedoch wundert dies nicht, ist die Kriminalisierung antikapitalistischen Protestes doch langjährige Praxis.
Ein politischer Erfolg ist die Rezeption der Aktionen, denn nicht nur Polizeigewalt und »Chaoten« bestimmten die Wahrnehmung der Proteste, sondern Inhalte. Beispielsweise wurden die prekären Arbeitsbedingungen entlang der globalen Wertschöpfungsketten aufgezeigt, sowohl in den Peripherieländern als auch in den industriellen Zentren.
Die lokalen Blockupy-Strukturen, die neuen Kooperationen linker Gruppen und Personen und das Blockupy-Bündnis ließen sich durch Repression und Spaltungsversuche nicht beeindrucken. Es war ein großer Erfolg, dass der eingekesselte Block nicht allein gelassen wurde. Das zeugt von einem sprech- und handlungsfähigen Bündnis, das weit über die Proteste an der Europäischen Zentralbank (EZB) hinausgeht. Eine enge Anbindung und Einbettung über Grenzen hinweg ist gelungen. Und gemeinsam geht es weiter!
Für eine antikapitalistische Perspektive innerhalb der divergierenden Krisenbündnisse ist es lebensnotwendig, Verbindungen und Parallelen der unterschiedlichen Bewegungen international zu erkennen und dann zu vermitteln. Denn die Spardiktate der Troika zeigen, dass die Marktwirtschaft nicht mehr zu bieten hat als eine Ökonomisierung aller Lebensbereiche und ein endloses Rennen, Rackern und Rasen im Hamsterrad der Standortkonkurrenz. Krisenproteste müssen den Kampf als gemeinsamen begreifen. Doch ebenso relevant wie die Gemeinsamkeiten sind die Unterschiede der Bewegungen. Protest ist kein Einheitsbrei, sondern jeweils kontextabhängig gebunden an seine Entstehungs- und Entwicklungsbedingungen. Diese gilt es zu analysieren und im Prozess des Gemeinsamen zu integrieren.
Für die Bewertung der Proteste brauchen wir zunächst Kriterien möglichen Erfolgs, also eine Verständigung über Ziele - näherliegende strategische Ziele, aber auch die Idee einer gesellschaftlichen Alternative. Für ihre Umsetzung benötigen wir eine starke Linke, in der unterschiedliche kapitalismuskritische Perspektiven in einem antikapitalistischen Prozess aufgehoben werden. Denn für das Erstarken einer Bewegung ist das gemeinsame Ziel relevant: Die Antwort auf die Krise kann nur eine antikapitalistische Haltung sein. Kein Flicken und keine Steuer können die menschenverachtende Ungerechtigkeit des herrschenden Systems verändern. Nur eine Perspektive auf eine grundsätzliche Veränderung kann uns stark machen. Wer im Einvernehmen mit den regierenden Parteien am Kapitalismus herumdoktert, statt ihn abschaffen zu wollen, wird spätestens nach der Bundestagswahl wieder vor den selben Problemen stehen. Für eine wirkliche Veränderung spielt das Ergebnis der Wahl eine äußerst marginale Rolle. Weil auch wir das Problem bis zur Bundestagswahl nicht lösen, werden wir antikapitalistische Perspektiven in unserem Alltag, an unseren Orten, in Bündnissen und allen politischen Beziehungen weiter verankern.
Emanzipatorische Praxis und selbstbestimmtes Leben dürfen dabei nicht als Ziel, sondern müssen als Element des Prozesses auf dem Weg in ein besseres Leben verstanden werden. Über Momente der Selbstermächtigung und der erlebbaren Alternativen werden diese erst erfahrbar und in den Rahmen des Möglichen überführt. Ziviler Ungehorsam ist ein Weg, solche Möglichkeiten der individuellen Einflussnahme in gemeinsamen Prozessen zu erkennen.
Blockupy bleibt. Blockupy wächst. Blockupy geht 2014 anlässlich der Eröffnung der neuen EZB-Gebäude in die nächste Runde.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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