Sitzen auf Tropenholz

Im niedersächsischen Göttingen gibt es Streit über das Material für neue Stadtbänke

  • Reimar Paul, Göttingen
  • Lesedauer: 3 Min.
Neue Bänke stehen in der Göttinger Innenstadt, Sitz und Lehne sind aus Tropenholz. Doch die niedersächsische Stadt hat sich 1989 verpflichtet, zum Schutz der Regenwälder grundsätzlich auf Tropenholz zu verzichten.

Auf dem Göttinger Wochenmarktplatz stehen seit 1992 vier Stelen aus afrikanischem Bogossi-Holz. Als Mahnung, die tropischen Regenwälder zu schützen und als Erinnerung an einen Ratbeschluss von 1989. Das Kommunalparlament der Stadt hatte damals bestimmt, dass bei öffentlichen Vorhaben kein Tropenholz verbaut werden darf. Vier Jahre später wurde der Beschluss etwas aufgeweicht. So kann zertifiziertes Holz aus den Tropen verwendet werden - allerdings ausschließlich im Wasser- und Brückenbau.

In der Fußgängerzone

Nun wurde der Ratsbeschluss unterlaufen. Die Göttinger Stadtverwaltung hat nämlich in der frisch gepflasterten Fußgängerzone neue Bänke zum Probesitzen aufgestellt, deren Lehnen und Sitze aus Tropenholz gefertigt wurden.

Er habe »auf den ersten Blick« gesehen, dass für die Sitzbänke tropisches Holz benutzt wurde, sagte der Biobauer und Umweltaktivist Ludwig Pape dem »nd«. Dies sei ein »unglaublicher Skandal« und »frecher Affront«. Pape informierte die Ratsfraktion der »Göttinger Linken« (GöLi). Das Bündnis aus Linkspartei, DKP und anderen Gruppen machte die Sache per Pressemitteilung bekannt. Inzwischen haben die SPD-geführte Stadtverwaltung und die Hersteller-Firma bestätigt, dass für die Bänke Kambala-Holz aus Afrika benutzt wurde. Es sei für Bänke und anderes »Stadt-Mobiliar« viel besser geeignet als europäisches Holz, erklärte das Unternehmen. Ein Sprecher versichert, dass ausschließlich FSC-zertifiziertes Holz bezogen und verarbeitet werde. Dieses Siegel garantiere, dass das Holz schonend und nachhaltig geerntet werde.

Allerdings lehnen die meisten Umweltverbände auch zertifiziertes Tropenholz ab. »Jedes Jahr verschwinden auf der Erde rund 13 Millionen Hektar Regenwald«, schreibt etwa der Verein »Rettet den Regenwald«. »Und mit ihnen wertvolle, artenreiche Ökosysteme.« Der Holzeinschlag bilde dabei den Anfang eines Prozesses, an dessen Ende oft die vollständige Abholzung der Wälder stehe. »Deshalb sollten wir uns für Möbel und Holzprodukte aus heimischen Arten und entsprechender naturnaher und sozial verträglicher Waldwirtschaft entscheiden.« Die Rodung in tropischen Regenwäldern habe dramatische Auswirkungen auf das Klima weltweit, sagte auch »GöLi«-Ratsherr Patrick Humke. Dieser Umstand sollte allseits bekannt sein - »auch der Göttinger Stadtverwaltung«.

Und wo noch?

Nachdem sich die Verwaltung zunächst uneinsichtig zeigte und sogar erklärte, man habe sich auch »im Sinne des Ratsbeschlusses von 2003« bewusst für diese Holzart entschieden, hat im Rathaus inzwischen ein Umdenken eingesetzt. Stadtbaurat Thomas Dienberg schlägt nun vor, für die Bänke Lärchenholz zu verwenden. Mittlerweile haben sich auch die Grünen, die im Rat mit der SPD eine Art Koalition bilden, des Themas angenommen. »Wir hätten schon gerne eine Erklärung, wie es sein kann, dass der offensichtliche Verstoß gegen die Beschlüsse des Rates in diesem langen Planungsprozess erst durch Zufall einem Passanten beim Probesitzen aufgefallen ist«, so Ratsfrau Katrin Reuter. Zudem würde ihre Fraktion interessieren, für welche anderen Nutzungen in Göttingen in den vergangenen Jahren Tropenholz zum Einsatz gekommen sei.

Für den Umweltausschuss des Rates kündigte Reuter eine entsprechende Anfrage an: »Auch die zulässigen Ausnahmen für den Wasserbau werden wir uns noch einmal ganz genau anschauen.«

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