Sechs Schüsse und kein Händeschütteln
Ein Mord bei München und Merkels Fehlen beim EU-Beitritt Kroatiens
Sonnabend, 28. Juli 1983, Wolfratshausen, Oberbayern: Als die Polizei das Mordopfer fand, war Stepan Durekovic schon seit einigen Stunden tot. Sechs Kugeln aus einer Ceska- und einer Beretta-Pistole hatten das Opfer getroffen, bevor jemand dem 57-jährigen Manager den Schädel einschlug.
Das Bundeskriminalamt (BKA) glaubt, die Täter und ihre Hintermänner zu kennen. Einer wurde 2008 vor dem Münchner Oberlandesgericht verurteilt. In den Akten steht, dass der »Rat für die Verteidigung der verfassungsmäßigen Ordnung« der jugoslawischen Republik Kroatien am 14. Dezember 1982 die »Liquidierung« von Durekovic angeordnet habe. Der Befehl sei von der Abteilung II (»Bekämpfung feindlicher Emigration«) des Sicherheitsdienstes SDB bestätigt worden.
Der für die Operation Verantwortliche soll heute unbehelligt in der kroatischen Hauptstadt Zagreb leben. Er heißt Josip Perkovic und war damals General im jugoslawischen Auslandsgeheimdienst. Ein ehemaliger Kollege hat ihn angeschwärzt, das BKA beantragte einen internationalen Haftbefehl. Für Hinweise, die zur Ergreifung Perkovics führen, sind 12 000 Euro Belohnung ausgesetzt.
Mindestens 22 Exilkroaten wurden zwischen 1970 und 1989 in der Bundesrepublik ermordet, meinen die Ermittler. Jugoslawiens starker Mann Josip Broz Tito ging nicht zimperlich mit jenen um, die gegen die Einheit Jugoslawiens hetzten. Dafür war München ein gesuchter Ort, hier standen »Radio Freies Europa« und »Radio Liberty«, hier sammelten sich einstige Ustascha-Faschisten und träumten vom Sturz Titos.
Auch nach dessen Tod im Jahr 1980 wurde der »Druck« auf sie nicht geringer. Durekovic hatte sich mehrfach den Zorn der Belgrader Machthaber verdient. Als ehemaliger Chef in der Erdölindustrie wusste er um die Schwachstellen der jugoslawischen Wirtschaft. Zudem sollte er nach seiner Auswanderung 1982 den Vorsitz einer jugoslawischen Exilregierung übernehmen. Das verhinderten sechs Pistolenschüsse.
Deutschland verlangt seit 2005 Perkovics Auslieferung. Noch rasch vor dem EU-Beitritt Kroatien verabschiedete das Zagreber Parlament ein Gesetz, nach dem nur in Verdachtsfällen nach 2002 ausgeliefert werden darf. Warum weigert sich die kroatische Regierung so hartnäckig? Vermutlich weil Perkovic noch immer ein wichtiger Mann ist. Sein Sohn Sasa war unter Staatspräsident Stipe Mesić Sicherheitskoordinator und gehört auch zu den Einflüsterern des gegenwärtigen Staatspräsidenten Ivo Josipovic. Mit dem wird sich Merkel nun nicht treffen. Regierungssprecher Steffen Seibert bestreitet einen Zusammenhang mit dem Fall Perkovic. So ist es üblich unter EU-Partnern und Freunden.
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