Bundesregierung lehnt Aufnahmegesuch von Snowden ab

Begründung: »Die Voraussetzungen für eine Aufnahme liegen nicht vor« / Linkspartei kritisiert Entscheidung als falsch

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Berlin (Agenturen/nd). Die Bundesrepublik hat das Aufnahmegesuch des ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden abgelehnt. »Die Voraussetzungen für eine Aufnahme liegen nicht vor«, teilten das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium am Dienstagabend in Berlin mit.

Der Antrag Snowdens auf Asyl in Deutschland ging per Fax an die deutsche Botschaft in Moskau. Nach deutschem Recht können Flüchtlinge politisches Asyl jedoch nur auf deutschem Boden beantragen, Snowden hätte dafür also zunächst nach Deutschland gelangen müssen. Aus dem Ausland möglich gewesen wäre aber eine Aufnahme aus humanitären Gründen oder bei Vorliegen eines "politischen Interesses" der Bundesrepublik. Diese Voraussetzungen sehen die zuständigen Bundesministerium aber als nicht gegeben an.

Der Linken-Abgeordnete Niema Movassat sagte in einer ersten Reaktion, er „habe von dieser Bundesregierung nicht ernsthaft erwartet“, dass sie Snowden aufnehme. „Dennoch ist die Entscheidung falsch“, so der Politiker auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Ähnlich äußerte sich der SPD-Landesvorsitzende von Schleswig-Holstein, Ralf Stegner. Es wundere ihn nicht, dass die Regierung Merkel nicht bereit sei, Snoden „vor Verfolgung zu schützen. Die hängen vermutlich“ mit drin, so Stegner.

Zuvor hatte Außenminister Guido Westerwelle Medienberichten zufolge mit US-Außenminister John Kerry telefoniert. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte sich bereits am Mittag sehr skeptisch geäußert. Asyl im eigentlichen Sinne könne er nicht beantragen, weil er dazu bereits in Deutschland sein müsste, sagte Friedrich. Nach seinen Angaben habe das Auswärtige Amt dann aber geprüft, ob eine Aufnahme aus humanitären und völkerrechtlichen Gründen möglich sei. »Am Ende wird es möglicherweise eine politische Frage sein«, so Friedrich.

Diese ist nun offenbar gegen Snowden entschieden worden. Aus keinem der gut 20 Länder, an die der 30-Jährige seine Aufnahmegesuche gerichtet hatte, erhielt er am Dienstag eine positive Antwort. Absagen erhielt Snowden außer aus Polen umgehend auch aus Indien, Norwegen, den Niederlanden und Brasilien. Österreich, Finnland, Island und Spanien machten geltend, dass Asylanträge nur in den jeweiligen Ländern selbst gestellt werden könnten. Anträge von außerhalb wären somit rechtlich ungültig. China und Irland wollten den möglichen Eingang eines Antrags nicht bestätigen. Ein Aufnahmegesuch an Russland zog Snowden selbst zurück.

Grüne und Linke hatten gefordert, dass Snowden auf Basis des deutschen Aufenthaltsgesetz hierzulande Zuflicht gewährt wird. Darin sei in Paragraf 22 geregelt, dass Deutschland jemandem »zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland« Aufenthalt gewähren könne, erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, Volker Beck, gegenüber der »Saarbrücker Zeitung«. Auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte, Snowden habe »Deutschland einen Dienst erwiesen. Die Bundesregierung sollte ihm Schutz gewähren«. Der Grünenpolitiker Wolfgang Wieland hatte erklärt, »es gibt andere Möglichkeiten eines legalen Aufenthaltes für US-Amerikaner.« Snowden könne sich beispielsweise publizistisch betätigen oder Vorträge halten. »Es ist schlecht, dass ein solcher Mann, der uns die Augen geöffnet hat für die umfassende Ausspähung unseres gesamten Internets und sonstigen Telekommunikationsverkehrs, nach China oder nach Russland gehen muss. In Europa wäre er besser aufgehoben«, so Wieland.

Die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen hatte ebenfalls gefordert, Snowden »auf der Grundlage von Paragraf 22 des Aufenthaltsgesetzes« in die Bundesrepublik einreisen zu lassen »und ihm eine Garantie zu geben, ihn nicht in die USA oder ein Land, von dem aus die Auslieferung in die USA droht, auszuliefern«. Dagdelen sagte, »der antidemokratische Feldzug der USA in Sachen weltweiter Überwachung« müsse ein Ende haben. Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, forderte die Bundesregierung sogar auf, »die Kanzlermaschine nach Moskau« zu schicken, um Snowden von dort nach Berlin zuholen. Der »Mitteldeutschen Zeitung« sagte Kipping, Snowden werden »von den USA aus politischen Gründen verfolgt. Er ist ein moderner Bürgerrechtskämpfer. Wir sind unbedingt dafür, dass er Asyl in Deutschland bekommt«. Auch sei »ein schnelles Willkommenssignal« jetzt wichtig.

Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz sagte hingegen der »Saarbrücker Zeitung«, er halte ein solches Vorgehen für ausgeschlossen. »Wollen wir zum Ausdruck bringen, dass die USA kein Rechtsstaat sind? Das kann ich mir nicht vorstellen.« Dem Asylantrag Snowdens gab Wiefelspütz ebenfalls »nicht den Hauch einer Chance«. Zwar sei es außerordentlich sympathisch »und in gewisser Weise vielleicht sogar bewundernswert«, was Snowden gemacht habe, doch sei Geheimnisverrat auch in Deutschland strafbar. »Snowden wird sich dafür vor einem ordentlichen Gericht in einem ordentlichen Verfahren verantworten müssen, wie jeder andere auch«, sagte Wiefelspütz.

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