Der Schnabel soll bleiben
Niedersachsen will Amputationen bei Legehennen verbieten
Das rot-grün regierte Niedersachsen macht Ernst mit der angekündigten Agrarwende: Zuletzt wurde wegen Warnungen vor einem Anstieg der Nitratwerte im Grundwasser die Herbstdüngung mit organischen Düngern eingeschränkt; nun soll das umstrittene Schnabelkürzen bei Legehennen abgeschafft werden. Das Ende der Praxis komme bis 2016, kündigte Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) diese Woche nach einem Besuch in Österreich an. Danach werde es keine Ausnahmen mehr geben. Niedersachsen setzt damit einen wichtigen Punkt aus seinem Tierschutzplan um.
Weil sie in ihren Massenquartieren und engen Ställen keinen Auslauf haben, gehen Legehennen mitunter aufeinander los und verletzen sich. Um das zu verhindern, wird jungen Tieren ohne Betäubung mit einem heißen Messer oder Infrarotstrahl der Schnabel gestutzt. Das ist zwar offiziell verboten, doch nach Angaben des Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) nehmen fast alle konventionellen Betriebe Ausnahmeregeln in Anspruch. Der Eingriff sei äußerst brutal, sagen Tierschützer. Sie kritisieren das Verfahren auch deshalb, weil es mit dem Schnabel das wichtigste Tastorgan der Küken verstümmelt.
»Schnabelkürzen ist ein schmerzhafter Eingriff«, sagt auch Meyer. Zudem sei es nach den in Österreich gemachten Erfahrungen gar nicht notwendig. Kannibalismus und Federpicken unter den Legehennen, die durch das Schnabelkürzen eigentlich verhindert werden sollen, »werden dadurch nicht gestoppt, nur das Ausmaß der Verletzungen wird gemildert«. Österreich zeige, dass bei gutem Management und wissenschaftlicher Betreuung Sterberate und Verletzungen sogar zurückgingen, während die Wirtschaftlichkeit steige.
So sei die Zahl der Legehennen und der Anteil am Markt nach dem in Österreich seit 2005 erfolgten Ausstieg gestiegen, während er in Niedersachsen sank. In der Alpenrepublik werden rund 5,8 Millionen Legehennen gehalten, im größten deutschen Agrarland Niedersachsen sind es nach Ministeriumsangaben 11,2 Millionen - damit kommt jedes dritte in Deutschland verkaufte Hühnerei aus Niedersachsen.
Meyer strebt einen mehrstufigen Ausstieg an. Er setzt auf einen Konsens zwischen Landwirtschaft, Handel, Verbraucher- und Tierschutzverbänden sowie Wissenschaftlern. Hoffnung mache ihm, dass es »positive Signale seitens des Handels und der Geflügelwirtschaft in Niedersachsen gibt«.
Um den Ausstieg einzuleiten, kündigte Meyer »Anreize und Überzeugungsarbeit« an. In Österreich hatten sich die Hennenhalter freiwillig bereiterklärt, in einer Übergangsphase pro Tier einen bestimmten Betrag in einen Solidaritätsfonds einzuzahlen. Daraus bekamen Betriebe mit unkupierten Herden finanzielle Unterstützung, wenn bei ihnen Schäden durch Kannibalismus auftraten. Einen solchen Fonds hält auch Meyer für sinnvoll. Denkbar seien auch ein Zuschuss des Landes, eine Berücksichtigung des Verzichts auf Schnabelkürzen in der Förderung und ein Tierschutzplan-Logo, um das Vorhaben breiter bekannt zu machen. Überdies sollen Halter aufgeklärt werden, wie sich Verletzungen mit Spezialfutter und anderer Beleuchtung vermeiden lassen.
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