Zeichen stehen auf »Attacke«
Die neuen, feinen Partner der Sozialisten
Die Bulgarische Kommunistische Partei (BKP) strich Ende 1990 über Nacht den Führungsanspruch aus ihrem Programm sowie aus der Verfassung, benannte sich in Bulgarische Sozialistische Partei (BSP) um - und regierte weiter. Dank ihres Pragmatismus funktioniert sie seit 20 Jahren als parlamentarisches Stehaufmännchen. Gerade ist sie wieder mal an der Regierung. Um aber regierungsfähig zu sein, muss sie sich parlamentarisch von der »Ataka«-Fraktion helfen lassen.
Ataka (»Angriff«) kann man sich als spezifisch balkanische Mischung aus ungarischer Fidesz und Jobbik sowie deutscher NPD vorstellen: Bulgarien über alles, das vom »kolonialen Joch« befreit werden muss; EU-feindlich, aber auf EU-Geld erpicht; Türken, Roma und Juden verteufelnd, die sich »an Bulgariens Elend mästen«. Ein einstiges Ataka-Wahlkampfplakat zeigte, wie ein Ataka-Ritter einem Drachen Köpfe abschlägt. Ein Kopf gehörte Sergej Stanischew, dem BSP-Chef. Der hat sich nun mit Ataka-Chef Wolen Siderow auf die Tolerierung seiner Regierung eingelassen. »Uns hat das Volk als Korrektiv eingesetzt«, geriert sich Siderow, vor 1990 übrigens auch BKP-Mitglied, der eine 23-köpfige Fraktion, immerhin zehn Prozent der Parlamentssitze, hinter sich hat.
Der Mann ist gewiefter Demagoge und notorischer Rüpel. Mittlerweile lässt er sich aber nicht mehr nur unflätig über seine politischen Gegner und über Journalisten aus. Sondern er fährt für Bulgarien offiziell zu Wirtschaftsgesprächen nach Japan. Ja, er wurde mit BSP-Zustimmung sogar Vorsitzender des parlamentarischen Antikorruptionsausschusses.
Neuwahlen hasst er (momentan) übrigens wie der Teufel das Weihwasser. Denn in einer solch komfortablen Position, in die seine Partei jetzt durch die BSP-Führung geschoben wurde, war er noch nie. Die allerdings den Drachentöter im Ataka-Gewand nicht vergessen sollte.
Vor einem Jahr hat sich Ataka ein neues Wahlprogramm gegeben. Der »Plan Siderow« verspricht dem Volk den Himmel auf Erden. Mit der Realisierung hat man jetzt klein und subtil angefangen. Die Regierung lockerte auf Betreiben von Ataka das noch junge strikte Rauchverbot im Land. Rauch fürs Volk. Man sollte nicht lächeln. In Bulgarien qualmen fast 80 Prozent der über 16-Jährigen gern und viel. Michael Müller
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.