Mehr Buchungen aus dem Ausland
Im krisengeschüttelten Griechenland kommt der Tourismussektor nur wenig in Schwung
Die kleinen Appartements sind einfach möbliert, die Lage hervorragend: wenige Meter vom Strand, im Rücken das höchste Gebirgsmassiv Griechenlands, den Olymp. Die Ferienanlage im Familienbesitz galt vor der Krise als Geheimtipp für Einheimische. Bereits im vergangenen Jahr hatte die Wirtin kaum noch Griechen zu Gast. »Und dieses Jahr stehen meine Zimmer bis auf zwei leer«, beschreibt Georgia D. die Lage. Dabei ist der Preis pro Nacht und Appartement mit 30 Euro alles andere als teuer. Ihr Bruder hat seine Zimmer zumindest zeitweise an Reisegruppen aus dem ehemaligen Jugoslawien vermieten können.
Tatsächlich sind es mehr und mehr Menschen aus den benachbarten Balkanstaaten und Ländern des ehemaligen »Ostblocks«, die in dem malerisch schönen Mittelmeerland Urlaub machen. Zwar glaubt keiner den Zahlen des Ministerpräsidenten, der für die dies-jährige Sommersaison mehr als 17 Millionen Touristen angekündigt hat. Die gesunkenen Preise im Hotel- und Gaststättengewerbe helfen jedoch dabei, die wichtigste Wirtschaftsbranche Griechenlands ein wenig in Schwung zu bringen. Allein aus Russland wurden 1,2 Millionen Anträge für ein Besuchervisum gestellt, eine Steigerung von 230 Prozent gegenüber 2012.
Angestiegen sind auch die Buchungen aus Deutschland. Ein Plus von 15 Prozent vermeldet der griechische Hotelierverband SETE. Und verweist stolz darauf, dass die Lufthansa für den ersten Einsatz ihres Riesenjets B747-8 Athen ausgewählt hat. In Österreich ist Griechenland heuer sogar das beliebteste Reiseziel. Gut jeder achte von Austrian Airlines Befragte gab das Mittelmeerland als Ziel des Sommerurlaubs an. Neben Strand, Sonne, gutem Wein und gutem Essen reizen vor allem die vielen Zeugnisse der Antike die Besucher.
Furcht vor Deutschenfeindlichkeit müssen dabei weder die Bundesbürger noch die gerne mit ihnen verwechselten Österreicher haben. Hoteliers und Tavernenwirte können quasi von Berufs wegen keine Vorbehalte zeigen. Auch der Durchschnittsgrieche weiß in der Regel sehr gut zwischen dem ausländischen Besucher und der deutschen Regierung zu unterscheiden. Kritisch könnte es höchstens werden, wenn man den gehassten Leitfiguren Merkel oder Schäuble ähnlich sieht oder sich daneben benimmt, indem man die Rechnung in der Taverne mit den Worten kommentiert, als deutscher Steuerzahler habe man schon genug an die Griechen bezahlt. Nur wirklich kaltblütige Hellenen würden in so einem Fall höflich darauf hinweisen, dass die dem Land zur Verfügung gestellten Milliarden keineswegs bei ihnen angekommen, sondern zu mehr als 80 Prozent für die Bezahlung von Altschulden an die Gläubiger zurückgeflossen sind.
Der Tourismus spielt eine entscheidende Rolle bei der so dringend benötigten Ankurbelung des griechischen Wirtschaftsmotors. Ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts wird nach Aussage des Ministers für Wachstum und Konkurrenzfähigkeit, Kostis Hatsidakis, direkt oder indirekt in dieser Branche erwirtschaftet. Dazu tragen trotz Krise auch die Griechen selbst bei: Zwar vermeldet das Fremdenverkehrsamt nach wie vor drastische Rückgänge bei den Hotelbuchungen der Einheimischen. Tavernen und Gaststätten werden jedoch immer noch zumindest am Wochenende besucht. Die Regierung möchte dies noch befördern: Seit gestern beträgt die Mehrwertsteuer im Gastronomiesektor nur noch 13 Prozent statt bislang 23 Prozent.
Wie jedes Jahr kehrten auch 2013 Hunderttausende Bewohner Athens dem Betonmoloch Anfang Juli für den Sommerurlaub den Rücken. Weitere Hunderttausende werden noch folgen, so dass man auf den sonst im Verkehr erstickenden Boulevards der Hauptstadt derzeit getrost picknicken könnte. Hotels auf Santorin, Kreta oder Korfu lockten bereits Ostern und Pfingsten vergeblich mit Sonderangeboten, auch jetzt ist das Reiseziel oft ein anderes: das vor der Krise erworbene oder geerbte Sommerhäuschen irgendwo auf dem Land. Und wer nicht darüber verfügt, kann seine Ferien bei der Familie im Heimatdorf verbringen.
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