Gegen Iran wird ein Krieg vorbereitet

Valter Pomar über das São-Paulo-Forum, rechte Gegenstrategien und linke Positionen zu Syrien und Iran

  • Lesedauer: 4 Min.
Valter Pomar ist Mitglied im Vorstand der brasilianischen Arbeiterpartei (PT), die seit 2003 an der Regierung ist. Pomar gehört zum linken Flügel der PT und ist zudem Exekutivsekretär des São-Paulo-Forums, eines 1990 gegründeten Zusammenschlusses lateinamerikanischer Linksparteien. Mit Valter Pomar sprach für »nd« Harald Neuber.
Valter Pomar
Valter Pomar

nd: Die Teilnehmer des 19. Forums von São Paulo haben kürzlich ihre Unterstützung für die progressiven Regierungen der Region erklärt. Wie spiegelt sich diese Solidaritätsbekundung in der Politik der Regierungen wider?
Pomar: Als das São-Paulo-Forum 1990 gegründet wurde, regierte die Linke gerade einmal in Kuba. Heute sind wir in einem bedeutenden Teil der Regionalstaaten an der Regierung. Das ist, zumindest teilweise, das Verdienst der Parteien, die im São-Paulo-Forum organisiert sind. Wir sind vor allem bereit, diesen Regierungen beizustehen und in den Gesellschaften die Unterstützung dafür zu mobilisieren, dass sie ein Programm tief greifender Umbrüche umsetzen können. Wir drängen auch auf eine rasche Integration. Es geht darum zu verhindern, dass sie auf halber Strecke stehen bleiben.

In den vergangenen Jahren sind in Lateinamerika einige neue Regionalorganisationen entstanden: CELAC, UNASUR, das ALBA-Bündnis. Welche Rolle spielt das São-Paulo-Forum noch?
Das São-Paulo-Forum ist weiterhin so etwas wie ein Laboratorium, in dem die Institutionalität der lateinamerikanischen Integration entwickelt wird, einer autonomen Integration. Deswegen kämpfen wir gegen das Integrationsmodell der USA, für das die Organisation Amerikanische Staaten (OAS) ein Symbol ist. Unsere Integration geht vom Volk aus. Das ist ein wichtiger Unterschied zu der Integration, für die sich die Großbourgeoisie einsetzt und die nur auf die Liberalisierung der Märkte zielt. Diese Politik würde nur weitere Ungleichheit schaffen.

Beim Treffen in São Paulo ging es auch um die erzwungene Zwischenlandung des bolivianischen Präsidenten Evo Morales in Wien. Was kann das Forum ausrichten?
Zunächst sind diese Erklärungen wichtig. Die für diesen Akt der Piraterie gegen Evo Morales verantwortlichen EU-Staaten haben wie Kolonien der USA gehandelt. Sie agieren so, weil ihre Regierungen die Interessen des transnationalen Kapitals vertreten, das sich gegen die Unabhängigkeit Lateinamerikas wendet. Das öffentlich auszusprechen ist wichtig. Aber die eigentliche Antwort muss natürlich darin bestehen, unsere politische, wirtschaftliche, ideologische und durchaus auch militärische Unabhängigkeit zu stärken.

Zuletzt hat militärisch eine andere Entwicklung Schlagzeilen gemacht: ein Kooperationsabkommen zwischen Kolumbien und der NATO. Was würde ein Vordringen des Nordatlantikpaktes nach Südamerika bedeuten?
Die entsprechenden Aussagen des kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos waren nur Nebelkerzen. Blickt man durch diesen Nebel, sieht man die Fakten: die britische Militärbasis auf den Malwinen (Falklandinseln), den Wiederaufbau der Vierten Flotte der US-Kriegsmarine, den Ausbau von Militärbasen in den europäischen Kolonien in der Karibik, ausländische Militärspezialisten in mehreren Ländern, darunter Kolumbien. All das soll den Druck erhöhen und alle denkbaren Perspektiven freihalten. Angesichts dieser Entwicklung ist es mehr als wichtig, den Verteidigungsrat der Union der Südamerikanischen Staaten (UNASUR) zu stärken.

Zugleich gibt es in Gestalt der Pazifik-Allianz mit ihren Mitgliedern Chile, Costa Rica, Kolumbien, Mexiko und Peru eine Art neoliberale Gegenintegration. Sind die progressiven Staaten in die Defensive geraten?
Es gibt seit 2008 tatsächlich eine Gegenoffensive der Rechten. Die Gründung der Pazifik-Allianz gehört dazu. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet, ist sie keine Bedrohung. Sie ist aber eine politische Bedrohung, weil sie einen Keil in die Regionalbündnisse MERCOSUR und UNASUR treibt. Um diesen Keil zu brechen, müssen wir die Wahlen in Chile gewinnen, die peruanische Regierung für uns gewinnen, den Frieden in Kolumbien erreichen und die Opposition in Mexiko stärken.

Die Haltung zu Syrien und Iran ist in der europäischen Linken sehr umstritten. Das Forum hat sich gerade mit beiden Führungen solidarisiert. Wie erklären Sie das Ihren europäischen Genossen?
Die Position des São-Paulo-Forums zielt nicht auf die Unterstützung einer bestimmten Regierung. Das Forum ist in erster Linie solidarisch mit den Menschen in Libyen, Syrien und Iran. Wir setzen uns dafür ein, dass sie das Recht haben, frei über ihre Regierung zu bestimmen. Und wir sind gegen jede ausländische Einmischung, unter welchem Vorwand auch immer. In Libyen bestand dieser Vorwand in der Unterstützung der Menschen gegen einen Diktator. Es folgte ein Massaker der NATO, der im Fernsehen übertragene Lynchmord an Gaddafi und die Destabilisierung der gesamten Region. Auch in Syrien heißt es nun, man wolle den Menschen gegen einen Diktator beistehen. Was aber geschieht? Die europäischen Staaten bewaffnen fundamentalistische Gruppen.

Auch im Fall Irans wird unter Verweis auf den Fundamentalismus ein weiterer Krieg vorbereitet. Die europäische Linke darf sich nicht von der Arroganz der dortigen Bourgeoisie einnehmen lassen. Europa hat kein Recht, irgendjemandem Lektionen in Demokratie, Zivilisation und Menschlichkeit zu erteilen. Seit Jahrhunderten haben europäische Mächte andere Völker in Amerika, Afrika, Asien und Ozeanien überfallen. Das Ergebnis war, gelinde gesagt, nie besonders günstig für den Menschen und die Demokratie dort.

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