Die machen doch sowieso alle das Gleiche, lautet eine verbreitete Meinung über Parteien. Nur ein Viertel der Wahlberechtigten, so das Ergebnis einer aktuellen Studie, können zwischen SPD und Union überhaupt einen Unterschied erkennen. Und: Wer liest schon die seitenlangen Wahlprogramme? Cornelia Hildebrandt und Jochen Weichold haben sich für die Rosa-Luxemburg-Stiftung die Forderungen der im Bundestag vertretenen Parteien angeschaut. Was Rot von Gelb und Grün von Schwarz unterscheidet, lesen Sie hier in täglich in einer nd-Serie.
Auf dem Feld der Gesundheitspolitik möchten die SPD, DIE GRÜNEN und DIE LINKE das Zwei-Klassen-System von gesetzlicher und privater Krankenversicherung ablösen. Sie streben eine Bürgerversicherung in Gesundheit und Pflege an, in die alle Bürgerinnen und Bürger einbezogen und zu deren Finanzierung alle Einkommensarten herangezogen werden. Die paritätische Finanzierung der Krankenversicherung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern soll wiederhergestellt werden.
Die SPD erläutert: »Mit der Bürgerversicherung halten wir an einem gegliederten, öffentlich-rechtlichen und selbstverwalteten Kassensystem als tragender Säule der gesetzlichen Krankenversicherung fest.« Für alle Neu- und bislang gesetzlich Versicherten werde die Bürgerversicherung verbindlich eingeführt. Menschen, die bisher privat versichert seien, könnten für ein Jahr befristet wählen, ob sie wechseln wollen.
Nach den Vorstellungen der LINKEN werde mit der Einführung »einer Kasse für alle« die private Vollversicherung überflüssig und abgeschafft und die private Krankenversicherung auf Zusatzleistungen beschränkt. DIE LINKE fordert darüber hinaus die Abschaffung jeglicher Zuzahlungen und Zusatzbeiträge, die Einführung eines Präventionsgesetzes, einen Stopp der Privatisierung von Krankenhäusern und die Überführung privatisierter Krankenhäuser in öffentliche und nichtkommerzielle Trägerschaften. DIE LINKE verlangt den Stopp der mit fünf Euro im Monat geförderten privaten Pflegezusatzversicherung und hält den Einstieg in die Privatisierung der Pflegevorsorge für unsozial und für volkswirtschaftlich unsinnig.
Dagegen lehnen CDU/CSU und FDP eine Bürgerversicherung auf dem Feld von Gesundheit und Pflege als »staatliche Einheitsversicherung für alle« bzw. als »Bürgerzwangsversicherung« entschieden ab. Die Unionsparteien streben auf dem Gebiet der Gesundheitspolitik keinen Kurswechsel an. Sie bekennen sich zum Wettbewerb der Krankenkassen und sind der Auffassung, die private Krankenversicherung leiste mit ihren individuellen Kapitalrücklagen einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit und Umsetzung von Neuerungen im Gesundheitswesen. Auch die Pflegeversicherung habe sich bewährt und solle weiterentwickelt werden. Sie entbinde jedoch den Einzelnen nicht davon, seine Eigenverantwortung und Eigeninitiative wahrzunehmen, was mit der staatlichen Förderung einer privaten Pflegezusatzversicherung unterstützt werden soll.
Das Motto der FDP lautet: »Privat kommt vor Staat.« Sie will nicht nur die privaten Krankenkassen stärken, sondern den Gesundheitsfonds wieder »zurückführen« und offensichtlich schrittweise durch eine Kranken- und Pflegeversicherung ersetzen, die – bei Aufhebung der Lohnbezogenheit – generell auf einem Prämiensystem mit Kapitaldeckung beruht. Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung will die FDP die »Budgetmedizin« abschaffen und (im Sinne der Kopfpauschale) das Kostenerstattungsprinzip einführen. Dafür solle jeder Patient eine Rechnung erhalten, in der die Kosten der in Anspruch genommenen Leistungen aufgezeigt sind. »Einer Einheitskasse mit Einheitsversorgung für den Einheitspatienten erteilen wir eine Absage.«
»Wahlprogramme der Parteien im Vergleich« von Jochen Weichold und Cornelia Hildebrandt ist erschienen in der Reihe rls papers der Rosa-Luxemburg-Stiftung und kann hier komplett heruntergeladen werden.
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