Energiewende ja, aber gerecht
Verbraucherschützer: Industrie stärker an Kosten beteiligen
Energiewende ja, steigende Stromkosten nein - so lassen sich die Ergebnisse einer Forsa-Umfrage im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) zusammenfassen, die am Montag in Berlin vorgestellt wurde. Die repräsentative Befragung ergab, dass acht von zehn Deutschen hinter den Zielen der Energiewende stehen. Die Umsetzung dagegen betrachtet fast die Hälfte der Befragten kritisch. Gerd Billen, Vorstand des vzbv, sagte, ohne die Verbraucher sei die Energiewende nicht zu schaffen. Deshalb dürfe die Politik die vorhandene Akzeptanz nicht verspielen.
Denn den Bürgern sind die positiven Aspekte von Atomausstieg und einem Ausbau erneuerbarer Energien durchaus bewusst, wie Markus Hoyer aus der Forsa-Marktforschungsabteilung erläuterte: So erhoffen sich 38 Prozent davon mehr Klima- und Umweltschutz; 23 Prozent hoffen auf mehr Sicherheit durch das Ende der Kernkraft und 19 Prozent denken, dass die Energiewende den Energieverbrauch senken wird. Langfristig überwiegen für zwei Drittel der Befragten diese Vorteile.
Aktuell steht dem aber der größte Kritikpunkt entgegen, der Strompreis: 52 Prozent der Verbraucher sehen die weiter steigenden Kosten für Energie als Nachteil der Energiewende. Unausgereifte Technik und die Verschandelung der Landschaft durch Windräder und Überlandleitungen schrecken dagegen nur zehn beziehungsweise sieben Prozent ab.
Holger Krawinkel, Energieexperte des vzbv, sagte, die Strompreise seien in den vergangenen Jahren deutlich schneller als andere Haushaltskosten gestiegen. Die Umfrage ergab, dass fast die Hälfte der Befragten fürchtet, die Energiewende könne bestehende Gegensätze zwischen Arm und Reich noch verstärken. Für die Verbraucher ist es wichtig, dass die Kosten gerechter verteilt und vorhandene Gelder effizienter eingesetzt werden. Billen sagte, die Politik dürfe das subjektive Empfinden der Verbraucher nicht ignorieren. Die Energiewende sei kein Wahlkampfthema, sondern ein gemeinschaftliches Zukunftsprojekt. Die Vorteile dürften deshalb nicht nur der Wirtschaft, sondern müssten auch den Verbrauchern zugutekommen.
Derzeit fällt dieses Verhältnis nach Meinung der Bürger eher zu ihren Ungunsten aus: 42 Prozent der Befragten sagen, sie selbst trügen die größten Lasten, während Forschung, Wirtschaft und Politik am meisten profitierten. Am deutlichsten wird das beim Ausbau der Windanlagen vor den Küsten von Nord- und Ostsee: Die Kosten für die wegen fehlender Netzanbindung stillstehenden Offshore-Anlagen tragen die Bürger seit diesem Jahr über eine gesetzliche Umlage mit. Für ungerecht hält das Billen: »Wer den Nutzen davon hat, der soll auch die Kosten dafür tragen«, sagte der vzbv-Vorstand. Heißt im Klartext: Die Industrie soll für ihre Anlagen selbst zahlen.
Die Ausnahmen für Großkonzerne bleiben ohnehin ein Ärgernis für die Verbraucher: In der Umfrage sprachen sich 62 Prozent gegen die Befreiungen von den Netzentgelten aus, wie sie immer mehr Betriebe in Anspruch nehmen. Allein 2013 summieren diese sich auf 805 Millionen Euro, 2014 könnte es über eine Milliarde Euro sein, wie kürzlich eine Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion ergab.
Doch obwohl diese Ausnahmen einen Großteil der Zusatzkosten auf der Stromrechnung ausmachten, geißele die Bundesregierung weiter den Ausbau der Erneuerbaren als Kostentreiber, so Billen. Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) betonte am Montag, es sei nicht zielführend, wenn die Regierung das Erneuerbare-Energien-Gesetz angreife. BUND-Energieexpertin Tina Löffelsend sagte, allein die Rabatte für die Großindustrie und die Offshore-Umlage führten 2013 zu einer Preiserhöhung von rund einem Cent pro Kilowattstunde.
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