Stottern und bremsen
Der Antidopingkampf im deutschen Fußball ist »eine Farce«
Der deutsche Fußball rühmt sich neuer Blutkontrollen. Dabei bremst er immer noch den Antidopingkampf aus, denn die Testzahl ist viel zu gering für eine wirksame Doperjagd.
Der Weltverband FIFA wird wohl noch geraume Zeit kaum als Musterbeispiel für Transparenz und Glaubwürdigkeit herhalten können. Doch die Fußballgranden in Zürich, deren »Saustall« Transparenzexperte Uli Hoeneß 2011 noch ganz dringend ausmisten wollte, hat sich zumindest im Antidopingkampf einen gewichtigen Vorsprung gegenüber den »Saubermännern« aus der Bundesliga verschafft: Zum WM-Turnier 2014 in Brasilien sollen erstmals Blutpässe aller teilnehmenden Spieler erstellt werden.
Im Radsport sind Blutpässe längst gang und gäbe. Auch Leitathleten, Triathleten und Eisschnellläufer arbeiten mit biologischen Pässen. Darin werden Urin- und Bluttestwerte eines Sportlers über Jahre gesammelt und verglichen. Werden dabei signifikante Abweichungen festgestellt, können Athleten theoretisch ohne positive Dopingprobe gesperrt werden - indirekte Beweisführung, die schon etliche Male ihre Anwendung fand. Populärstes Beispiel hierzulande war die fünfmalige Eischnelllauf-Olympiasiegerin Claudia Pechstein.
Im Alltagsgeschäft Fußball-Bundesliga ist schon der Gedanke an den Pass ein Ding der Unmöglichkeit. Die Einführung eines biologischen Passes für alle Aktiven könnte zwar zu mehr Glaubwürdigkeit in Sachen Antidopingkampf verhelfen, allerdings: Die Zahl der Tests ist viel zu gering. Bis zum Ende der vergangenen Spielzeit gab es überhaupt keine Blutkontrollen, die jedoch Grundvoraussetzung für die Entdeckung bestimmter moderner Dopingsubstanzen sind, darunter neue Varianten von EPO. In der Saison 2013/2014 werden sie nun eingeführt - in einem Ausmaß, das der Pharmakologe und Dopingjäger Professor Fritz Sörgel in der Tageszeitung »tz« aus München allerdings »eine Farce« nennt.
Sörgel macht eine einfache Rechnung auf: 15 Prozent von insgesamt 500 Trainingskontrollen sollen in dieser Spielzeit Bluttests sein. Dabei wird die Nationale Anti-Doping Agentur (NADA) allerdings nicht nur unter den rund 1000 Profis aus 1. und 2. Bundesliga testen, sondern auch bei allen DFB-Teams bis in den Juniorenbereich. »Jeden Klub erwarten also nicht einmal zwei Blutkontrollen pro Jahr«, bilanziert Sörgel. »Wenn das das Ergebnis der langen Verhandlungen zwischen DFB und NADA sein soll, kann ich wirklich nur lachen.«
Der NADA sei aber kein Vorwurf zu machen, denn das Geld für die sehr viel teureren Blutkontrollen muss vom Verband kommen: »Die bremsende Kraft ist der DFB. Man will dort nicht, dass etwas Unangenehmes ans Tageslicht kommt«, mutmaßt Sörgel. In der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« hatte sich sogar der FIFA-Chefmediziner Jiri Dvorak kritisch geäußert: »Optimal wäre es, wenn vor dem Beginn der Saison alle Spieler der Bundesliga getestet würden. Dann hätte man eine Basis, könnte weitere Kontrollen in der Saison folgen lassen und die Ergebnisse vergleichen.«
Zum Bundesliga-Auftakt hatten die neuerlichen Diskussionen um die Westdoping-Studie einigen Helden des bundesdeutschen Fußballs die Stimmung vermiest. So kam etwa Franz Beckenbauer in der launigen Jubiläumssendung des ZDF-Sportstudios anlässlich 50 Jahren Bundesliga ins Stottern, als Moderator Michael Steinbrecher ihm eine »Stern«-Kolumne von 1977 vor die Nase hielt, in der »der Kaiser« einst schwadroniert hatte, die Grenzen zum Doping seien bei Bundesligaprofis »fließend«. Beckenbauer konnte sich angeblich nicht mehr an den Text erinnern. Immerhin sagte er, er habe damals »Vitaminspritzen« bekommen. Ob er gewusst habe, was darin enthalten gewesen sei? »Ich bin kein Arzt. Natürlich haben wir auch unsere Vitaminspritzen bekommen.«
Der DFB hat nun auf die vielfache Kritik an der laschen Antidoping-Praxis in der Liga reagiert. DFB-Vizepräsident Rainer Koch sagte gegenüber der »FAZ«, man erwäge eine Erhöhung der Zahl der Blutkontrollen.
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