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Berlins Energiezukunft liegt in Brandenburg
Landeseigene Flächen im Umland könnten ein wichtiger Faktor für ein ökologisches Stadtwerk sein
Der Großgrundbesitz des Landes Berlin in Brandenburg könnte ein wichtiger Faktor für die Energiewende in der Hauptstadt sein - und doch ist er noch relativ unbekannt. Das sieht auch Peter Hecktor so. »Mein Eindruck ist, dass wir in Brandenburg bekannter sind als in Berlin«, sagt der Geschäftsführer der Berliner Stadtgüter GmbH. »Selbst im Abgeordnetenhaus gibt es nur geringe Kenntnisse über uns.«
Am Mittwoch unternahmen einige Abgeordnete der Grünen einen Ausflug bis kurz hinter die nördliche Grenze Berlins, um sich einige dem Land gehörende Flächen anzusehen. Sie nahmen damit das Angebot der Stadtgüter an, sich mal vorzustellen.
Interessant war bei der Besichtigungstour vor allem das, was unter dem Oberbegriff Energiewende läuft. Seit in Berlin über ein landeseigenes Stadtwerk diskutiert wird, das ökologisch Energie erzeugen soll, steigt der Bekanntheitsgrad der Stadtgüter. Auf den ab den 1870er Jahren erworbenen Flächen im Berliner Umland werden schließlich heute schon Wind und Sonne zur Energieerzeugung genutzt und Energiepflanzen angebaut, die in Biomassekraftwerken Strom und Wärme liefern sollen. Fast 17 000 Hektar umfassen die Stadtgüter, was einem Fünftel der Berliner Fläche entspricht.
»Alle Abgeordnetenhausfraktionen finden ein Stadtwerk toll, aber es gibt da große Unterschiede«, sagt Michael Schäfer, energiepolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. »Der Senat hat im neuen Doppelhaushalt jährlich 1,5 Millionen Euro dafür vorgesehen. Damit kann man aber kein Stadtwerk bauen, sondern nur die Fassade eines Stadtwerks.« Schäfers Forderung: »Wir müssen in die Produktion gehen. Berlin braucht keinen weiteren Stromhändler.«
Zwischen 2005 und 2007 wurden die Stadtgüter privatisiert. Die Flächen sind nun verpachtet, das heißt: Windräder, Flächenfotovoltaikanlagen und Milchviehhaltung werden nun von Privatfirmen betrieben. Schäfer meint, Berlin solle bis zu 50 Prozent der Windräder selbst betreiben. 28 stehen derzeit auf Flächen der Stadtgüter. Mit Fotovoltaikanlagen zusammen werden so 40 000 Berliner Durchschnittshaushalte mit Strom beliefert. 27 weitere Windräder sollen bis 2016 installiert werden. Dann könnten über 110 000 Haushalte abgedeckt werden. Durch weiteren Anlagenbau könnten die Stadtgüter (stets in Kooperation mit Investoren) 2020 rund 200 000 und somit jeden zehnten der Berliner Haushalte mit Strom versorgen, so die Prognose des Landesunternehmens. Das reicht nicht für die Energiewende, doch Schäfer sieht weiteres Potenzial in den landeseigenen Unternehmen: »Wir könnten die Klärschlämme der Berliner Wasserbetriebe vergären, mit Kraft-Wärme-Kopplung. Das ist grundlastfähig. Wir haben sonst kaum erneuerbare Wärmeenergieträger.« Auch die Biomasse-Reste aus dem Müll, die zur Zeit ins Braunkohlekraftwerk Jänschwalde in der Lausitz verbracht und dort »ineffizient und ungefiltert« verbrannt würden, sollten in Berlin genutzt werden, findet Schäfer.
Überhaupt ist der Müll ein großer Energielieferant. »Die Berliner Stadtreinigung gibt an, in ihren Müllverbrennungsanlagen Strom für 100 000 Haushalte zu produzieren. Den liefert sie derzeit an Vattenfall«, sagt Stadtgüter-Chef Hecktor.
Auch in Berlin muss freilich einiges mehr zustande kommen, damit die Wende zur ökologischen Energie gelingt. In einer Resolution von Michael Schäfer und dem Landesvorstand der Grünen für den Landesausschuss der Partei, der am Mittwochabend tagen sollte, werden genannt: Energieeinsparung vor allem an öffentlichen Gebäuden (gerade die sind laut Schäfer erwiesenermaßen uneffizient), dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung außerhalb des Fernwärmenetzes und Energieberatung. All das soll das Stadtwerk im Verbund mit den anderen städtischen Firmen leisten. Die Grünen sehen dafür »in den nächsten vier Jahren ein Investitionsvolumen von knapp 500 Millionen Euro« vor.
Doch selbst wenn die Grünen damit in der Hauptstadt alle überzeugen - in Brandenburger Dörfern könnten die Berliner Energiewende-Pläne torpediert werden. Die Windräder sind bekanntlich nicht überall gern gesehen. Stadtgüter-Chef Hecktor gibt sich aber zuversichtlich, dass mit Überzeugungsarbeit und der Beteiligung an den Erträgen auch die betroffenen Gemeinderäte zu überzeugen sind. In der genannten Prognose zur zukünftigen möglichen Stromleistung von Stadtgütern habe er eingerechnet, dass nicht jedes mögliche Projekt klappt.
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