Ist Doping Geheimsache?

Jens Petermann sitzt für die LINKE im Sportausschuss des Bundestags

  • Lesedauer: 3 Min.

nd: Sie durften den 800-seitigen Geheimbericht zum Doping in Deutschland lesen. War er eine spannende Lektüre?
Petermann: Ja, das war er. Wir bekamen vor mehr als einem Jahr schon den Zwischenbericht vom BISp (Bundesinstitut für Sportwissenschaft, Anm.d.R.). Insofern gab es kaum neue Erkenntnisse, die bekannten wurden aber auf einer neuen Ebene zusammengefasst. Es bleiben trotzdem noch viele Fragen offen.

Der Öffentlichkeit sind nur 117 Seiten bekannt. Ist die Geheimhaltung des Bundesinnenministeriums gerechtfertigt?
Die Verfahrensweise ist sehr fragwürdig. Dass der Bericht lange auf sich warten ließ, warf ja schon die Frage auf, ob da jemand versucht, bestimmte Dinge gar nicht drin stehen zu lassen. Nun werden auch in der 800-Seiten-Studie Sachverhalte nur abstrakt umschrieben und Namen nicht genannt. Bei dem, was ich gelesen habe, halte ich die Geheimniskrämerei für unangemessen.

Weil die Namen von gesellschaftlicher Bedeutung sind?
Es geht um historische Wahrheiten. Für die Zeit des Kalten Krieges wurde bisher versucht, die Historie in eine Richtung zu schreiben. Es ist bekannt, wie mit Ost-Biografien umgegangen wurde. Das hatte in den 90ern zu Recht hohe Wellen geschlagen. Jetzt steht die andere Seite am Pranger.

Die Studie belegt anwendungsorientierte Dopingforschung, bezahlt mit Steuergeld über das BISp. Gibt es so etwas heute noch?
Mir sind keine Aktivitäten bekannt. Die Pharmaindustrie erforscht sicher aus eigenem Interesse selbst alle möglichen Dinge. Da ist genügend Geld vorhanden. Sie profitierte in der Vergangenheit am meisten von dem System, das die Medizin in den Dienst der Leistung stellte, nicht in den des Menschen. Und auch heute werden Athleten fit gespritzt, die sich zwei Wochen später doch verletzen. Bei der WM 2010 haben 60 Prozent der Fußballer Schmerzmittel genommen. Die wurden von Medizinern verschrieben. Diesen falschen Weg will ich als Sportpolitiker nicht mitverantworten, wenn wir den Spitzensport jährlich mit mehr als 100 Millionen Euro unterstützen.

Eine Sondersitzung des Bundestags-Sportausschusses ist beantragt. Soll der das Fehlverhalten von Ärzten untersuchen?
Auch das der Politiker. Die haben Maßnahmen geduldet, die nicht regelkonform waren. Für mich war das auch Staatsdoping. Wenn das BISp überhöhte, medikamentös gestützte Trainings- und Wettkampfbelastung unterstützte, ist das auch eine Entscheidung, die die Politik getroffen hat. Der Sportausschuss kann aber kaum für eine komplette Aufklärung sorgen. Wir sollten daher über einen Untersuchungsausschuss nachdenken. Der könnte klären, ob den Forschern alle benötigten Akten zur Verfügung gestellt wurden, um ihren Forschungsauftrag zu erfüllen, oder ob Akten geschreddert wurden. Dafür gibt es Indizien. Ein Untersuchungsausschuss könnte auch Zeugen vorladen.

Wie DOSB-Präsident und FDP-Mitglied Thomas Bach, der an dem von der Koalition vorgeschlagenen Termin schon in Buenos Aires sein wird, wo er sich zum IOC-Präsidenten wählen lassen will?
Ohne seine Aussagen ist keine abschließende Aufklärung möglich. Mal sehen, ob er freiwillig kommt.

Fragen: Oliver Händler

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