Abrüstung im US-Drogenkrieg

Legalisierung würde jährlich 41 Milliarden Dollar sparen

  • Sebastian Moll, New York
  • Lesedauer: 3 Min.
Drogen sind in den USA Teil des Alltags, gerade auch in der Wirtschaftshauptstadt New York. Doch der Staat hat jahrzehntelang dagegen angekämpft, erfolglos. Nun wickelt Präsident Obama den Krieg gegen die Drogen Schritt für Schritt ab.

Irgendwann kommt bei fast jeder Party in New York der Moment, an dem jemand einen Joint auspackt. Auch unter Financiers oder Anwälten wird das Kraut offen geraucht. Der Gebrauch von Cannabis und Kokainprodukten ist, wenn auch illegal, in US-Städten wie New York alltäglich. Offizielle Schätzungen, dass in New York ein Prozent der Bevölkerung, also etwa 80 000 Menschen, 200 Dollar pro Woche für Drogen ausgeben, dürften als eher konservativ gelten. Dennoch ergibt diese Zahl ein atemberaubendes Konsumvolumen: Allein in New York werden wöchentlich 16 Millionen Dollar für Drogen ausgegeben.

New York ist der größte Drogenmarkt des Landes, aber nicht der einzige. Laut einer Regierungsstudie benutzen 22 Millionen Amerikaner im Alter von über zwölf Jahren illegale Drogen. Das sind rund neun Prozent der Bevölkerung. Zusammen geben sie geschätzte 60 Milliarden Dollar im Jahr für den Rausch aus.

Die überwiegende Mehrheit des Geldes fließt in den Marihuana-Konsum. 17 der 22 Millionen amerikanischen Drogennutzer sind Cannabis-Raucher, gefolgt von Konsumenten psychoaktiver Medikamente wie Amphetaminen, Stimulanzien oder Schmerzmitteln mit etwa sieben Millionen. Etwa anderthalb Millionen benutzen Kokain, die Anzahl der Methamphetamin-Nutzer immerhin ist um die Hälfte zurück gegangen, seit die Vorstoffe Ephedrin und Pseudoephedrin stärker reguliert werden.

Die Regierung versucht seit nunmehr 40 Jahren, des Drogenproblems Herr zu werden. Zwischen 20 und 25 Milliarden Dollar pro Jahr geben die USA aus, um die Drogenzufuhr auf den US-Markt abzuschneiden und die Händler sowie die Nutzer von der Straße zu holen. Mehr als eine Billion, schätzt man, hat das Land schon bezahlt, seit Präsident Nixon 1971 martialisch den Rauschmitteln den Krieg erklärt hat. Doch selbst innerhalb der USA setzt sich die Erkenntnis durch, die 2011 von der UN-Kommission für Drogenpolitik artikuliert wurde: der »Krieg gegen die Drogen« war ein Fehlschlag.

Ein Hauptproblem bei der Unterbrechung der Nachschubwege ist, dass sich die Lieferanten bei den extremen Profitmargen erhebliche Einbußen durch Grenz- und Sondertruppen leisten können. So haben US-Behörden in den vergangenen drei Jahren an der mexikanischen Grenze zwar 31 Prozent mehr Drogen beschlagnahmt. Bei Gewinnen von bis zu 500 Prozent können es sich die Kartelle jedoch erlauben, bis zu 90 Prozent ihrer Ware zu verlieren, ohne Verluste zu machen.

Im Inland hat die Kriminalisierung des Drogen-Gebrauchs in den vergangenen 40 Jahren hat zu einer beispiellosen Explosion von Verhaftungen und Verurteilungen geführt. So stiegen bereits in den 80er Jahren die Inhaftierungen für Drogendelikte um 126 Prozent, während die Anzahl Verhaftung für andere Verbrechen lediglich um 28 Prozent wuchs. Mehr als 2,2 Millionen erwachsene Amerikaner sitzen heute im Gefängnis, beinahe 50 Prozent davon wegen Drogendelikten. Das kostet 24 000 Dollar pro Häftling und Jahr.

Experten schätzen die Ersparnis für die Volkswirtschaft bei einer Legalisierung von Drogen auf jährlich 41 Milliarden Dollar. Weit schlimmer noch sind jedoch die sozialen Kosten dieser Einkerkerung von enormen Mengen von Bürgern, von denen viele nach ihren Vorstrafen von der Gesellschaft ausgeschlossen bleiben.

Auch die Hälfte der der Amerikaner hält den Krieg gegen die Drogen für gescheitert. Die Bundesstaaten Colorado und Washington haben den Freizeitgebrauch von Cannabis legalisiert, Staaten wie Kalifornien, Maine, Alaska und Connecticut den Besitz von Marihuana entkriminalisiert. Mitte August kündigte Justizminister Eric Holder an, die Mindeststrafen für leichte Drogendelikte aufzuheben. Präsident Obama hat es seit seinem Amtsantritt ohnehin peinlich vermieden, vom Krieg gegen die Drogen zu sprechen.

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