Im Zweifel gilt die betriebsübliche Arbeitszeit

Streit um Arbeitszeit und Gehaltskürzung

  • Lesedauer: 2 Min.
Ist in einem Arbeitsvertrag die Dauer der Arbeitszeit nicht ausdrücklich geregelt, gilt - auch bei außertariflichen Angestellten - die betriebsübliche Arbeitszeit als vereinbart.

Darauf verweist die Berliner Fachanwältin für Arbeitsrecht Dr. Alexandra Henkel vom Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte (VDAA) unter Hinweis auf ein entsprechendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt vom 15. Mai 2013 (Az. 10 AZR 325/12).

Das BAG hatte den Fall einer außertariflich bezahlten Angestellten zu beurteilen, in deren Arbeitsvertrag bezüglich der Arbeitszeit keine konkrete Wochenstundenzahl geregelt, sondern lediglich festgehalten ist, dass die Arbeitnehmerin verpflichtet sei, »auch außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit tätig … zu werden«. Weitere Regelungen zur Arbeitszeit sind in dem Arbeitsvertrag nicht enthalten. Die betriebsübliche wöchentliche Arbeitszeit betrug bei der Arbeitgeberin 38 Stunden pro Woche.

Praxistipp

Ein Arbeitnehmer kann anders als ein freier Mitarbeiter nicht frei über seine Arbeitszeit verfügen. Auch wenn das BAG im oben geschilderten Fall zu Gunsten des Arbeitgebers entschieden und festgestellt hat, dass nur die Zeit zu vergüten ist, in der der vorleistungspflichtige Arbeitnehmer entsprechend des Arbeitsvertrages seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt, so ist dennoch zu empfehlen, eine konkrete wöchentliche Arbeitszeit zu vereinbaren, um Streit zu vermeiden.

Es bleiben auch noch die ausformulierten Urteilsgründe dieses Falles abzuwarten, inwieweit es tatsächlich für das Ergebnis (keine Zahlungspflicht des Arbeitgebers) für das Bundesarbeitsgericht relevant war, dass zumindest in der Klausel des Arbeitsvertrages auf die »betriebsübliche Arbeitszeit« ausdrücklich verwiesen wurde.

 

Nachdem sich im Herbst 2010 bis zu 700 Minusstunden bei der Arbeitnehmerin angesammelt hatten, forderte die Arbeitgeberseite die Mitarbeiterin auf, eine betriebsübliche tägliche Arbeitszeit von mindestens 7,6 Stunden oder die betriebsübliche wöchentliche Arbeitszeit von 38 Stunden einzuhalten. Die Mitarbeiterin kam dem nicht nach, woraufhin die Arbeitgeberseite die Gehälter der außertariflichen Angestellten entsprechend anteilig für die auch nach Aufforderung nicht vollständig geleistete Arbeitszeit in den Monaten Dezember 2010 und Januar 2011 nicht auszahlte.

Die Mitarbeiterin klagte diese nicht gezahlte anteilige Vergütung ein und argumentierte, dass in ihrem Arbeitsvertrag keine Verpflichtung geregelt sei, 38 Stunden pro Woche zu arbeiten. Es sei in ihrem Arbeitsvertrag überhaupt nicht geregelt, dass sie an bestimmten Tagen oder zu bestimmten Zeiten im Betrieb sein müsse. Nach ihrem Vertrag sei ihre Arbeit nicht in Zeiteinheiten zu messen, sondern sie erfülle ihren Arbeitsvertrag schon dann zu 100 Prozent, wenn sie die ihr von der Arbeitgeberseite übertragenen Aufgaben erledige, deshalb müsse die Arbeitgeberin bei Aufgabenerledigung auch 100 Prozent ihres Gehaltes unabhängig von der Zahl der in den einzelnen Monaten geleisteten Arbeitsstunden zahlen.

Wie schon in den Vorinstanzen blieb die Vergütungsklage auch beim Bundesarbeitsgericht ohne Erfolg. Das BAG stellte darauf ab, dass in dem Arbeitsvertrag zwar keine konkrete Arbeitszeit geregelt sei, der Vertrag aber auf die betriebsübliche Arbeitszeit als Maß abstelle. Wenn in dem Arbeitsvertrag die Dauer der Arbeitszeit nicht ausdrücklich geregelt ist, gelte die betriebsübliche Arbeitszeit als vereinbart. Anhaltspunkte für eine Vereinbarung einer dem Zeitmaß enthobenen Arbeitspflicht bestehen laut Bundesarbeitsgericht nicht. Diese Grundsätze gelten auch für außertarifliche Angestellte. Die Arbeitgeberseite hatte deshalb zu Recht die anteilige Vergütung einbehalten.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -