Pflegebegutachtung: Bei Verspätung 70 Euro pro Woche

Fragen & Antworten rund um die Pflege

  • Uwe Strachovsky
  • Lesedauer: 5 Min.
Immer wieder erreichen uns zahlreiche Leserfragen zur Problematik der Pflege. Deshalb setzen wir heute unsere Serie Fragen & Antworten rund um die Pflege fort.

Ich habe im nd-ratgeber gelesen, dass die Pflege-Begutachtung fristgemäß erfolgen muss. Habe ich Ansprüche gegenüber der Pflegekasse, wenn die Begutachtung nicht fristgemäß erfolgt? Und was heißt überhaupt fristgemäß?
Waltraud W., Rostock

Spätestens fünf Wochen nach der Beantragung einer Pflegestufe muss der Bescheid der Pflegekasse dem Antragsteller vorliegen. Ist es gewünscht, wird gleichzeitig das entsprechende Gutachten mitgeschickt. Hält die Kasse diese Frist nicht ein, muss sie 70 Euro je angefangener Woche an den Betreffenden zahlen. Das Geld darf nicht mit den Pflegeleistungen verrechnet werden. Diese Festlegung ist Bestandteil der aktuellen Pflegereform.

Allerdings gibt es Ausnahmen: Die Regelung gilt nicht für Pflegebedürftige in stationären Einrichtungen oder wenn die Pflegekasse an der Verzögerung schuldlos war.

Vor der Begutachtung und dem Entscheid steht eine Pflegeberatung, auf die jeder ein Anrecht hat. Auch dafür nennt das Sozialgesetzbuch XI eine Frist: Innerhalb von zwei Wochen nach der Antragstellung hat die Beratung stattzufinden, auf Wunsch auch zu Hause. Gesetzlich Versicherte vereinbaren den Termin mit ihrer Pflegekasse.

Kann die Pflegekasse den Termin nicht wahrnehmen, muss sie Adressen alternativer Beratungsstellen übermitteln. Das kann zum Beispiel ein Pflegestützpunkt oder eine soziale Einrichtung sein. Für privat Versicherte ist bundeseinheitlich die Compass-Pflegeberatung zuständig. Die Zwei-Wochen-Frist gilt auch für sie.

Noch ein Hinweis zum Beratungsgespräch: Wichtig ist vor allem, dass sich der Pflegebedürftige - möglichst mit Hilfe der ihn betreuenden Angehörigen - darauf einstellt. Das ist oft nicht ganz einfach. Denn der Betroffene muss sich selbst seine alters- oder krankheitsbedingten Defizite eingestehen und die Hilfe auch annehmen wollen. Wenn es nötig ist, kann die Beratung zu Hause auch öfter in Anspruch genommen werden. Sie ist in jedem Fall kostenfrei und anbieterneutral.

Ich bin hörgeschädigt und habe gehört, dass es neuerdings eine Telefonberatung für Gehörlose gibt. Können Sie mir Näheres über die Online-Pflegeinformationen sagen?
Elfriede H., Suhl

In der Tat ist es so, dass seit April 2013 Gehörlose oder hörgeschädigte Menschen ihre Fragen zum Thema Pflege mit Experten der bundesweiten Compass-Pflegeberatung klären können. Diese Art der Pflegeberatung ist aber nicht unkompliziert, so dass Sie sicherlich fremde Hilfe in Anspruch nehmen müssen.

Denn technisch erfolgt die Beratung nicht per Telefon, sondern via Computer und Webcam. Dazu muss der Betroffene die entsprechende Software unter www.compass-pflegeberatung.de herunterladen und auf dem heimischen Computer installieren.

Um die Kommunikation mit den Pflegeexperten zu ermöglichen, arbeiten diese mit erfahrenen Gebärdensprach- und Schriftdolmetschern des bundesweiten Telefonvermittlungsdienstes Tess-Relay zusammen. Diese übersetzen sowohl die Fragen der Ratsuchenden als auch die Antworten der Pflegeberater.

Erreichbar ist der Service montags bis freitags von 8 bis 19 Uhr, sonnabends von 10 bis 16 Uhr. Der Service ist - wie im Sozialgesetzbuch IX gefordert - kostenfrei sowie anbieterneutral und steht allen offen.

Was muss ich tun, um einen Zuschuss zum Pflege-Bahr zu erhalten?
Walter Sch., Magdeburg

Die staatliche Förderung zum sogenannten Pflege-Bahr wird einmal jährlich dem Vertragskonto gutgeschrieben. Abgewickelt wird das zwischen Zentraler Zulagenstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund, bei der auch das Geld verwaltet wird, und dem Versicherer.

Drei Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein:

Erstens muss der Vertragsinhalt den gesetzlichen Vorschriften für die geförderte Pflege-Zusatzversicherung entsprechen.

Zweitens muss der Versicherte seine Beiträge bezahlt haben.

Drittens muss der Versicherte der Übermittlung der relevanten Daten an die Zulagenstelle zugestimmt haben.

Welche Informationen die Zulagenstelle erhält, ist in Paragraf 128 des Sozialgesetzbuches XI festgeschrieben. Neben den Antrags- und Vertragsdaten wird unter anderem die Höhe der gezahlten Beiträge übermittelt. Mitzuteilen ist auch die Rentenversicherungsnummer, anhand derer zu erkennen ist, ob jemand mehrere Verträge hat. Da dies laut Gesetz nicht zulässig ist, wird nur eine Police gefördert. Die anderen werden rückgängig gemacht.

Das Verfahren zwischen Versicherer und Zulagenstelle läuft jeweils in den ersten drei Monaten nach Ende des Kalenderjahres, erstmals also zwischen Januar und März 2014. Angewiesen wird die Zulage erstmals am 20. April 2014.

Wer selbst Angehörige pflegt, kennt den enormen zeitlichen Aufwand und die erhebliche körperliche Belastung. Umso wichtiger ist es, mal eine Auszeit nehmen zu können. Wie ist das aber überhaupt möglich?
Erika H., Berlin

Damit pflegende Angehörige eine Auszeit nehmen und sich erholen können, gibt es die sogenannte Verhinderungspflege. Für maximal 28 Tage im Jahr kann beispielsweise ein ambulanter Dienst die Versorgung des Pflegebedürftigen übernehmen. Bis zu 1550 Euro im Jahr zahlt die Pflegekasse dafür. Das ist in Paragraf 39 des SGB XI geregelt und gilt für gesetzlich wie privat Pflegeversicherte gleichermaßen.

Allerdings verlangt der Gesetzgeber nicht, dass die Verhinderungspflege zu Hause stattfinden muss. Somit kann man auch gemeinsam Urlaub machen und trotzdem die Pflegeleistungen in Anspruch nehmen. Dafür gibt es mittlerweile immer mehr spezialisierte Hotels. Dort übernimmt qualifiziertes Personal die Pflege, während sich der Angehörige erholen kann. Die Ausstattung der Pflegehotels ist auf die besonderen Bedürfnisse der Gäste zugeschnitten. Oft stehen getrennte Schlafzimmer zur Verfügung.

Die Pflegekasse bezahlt die reinen Pflegeleistungen. Unterkunft, Vollverpflegung und die sogenannten Investitionskosten müssen selbst beglichen werden. Das kann den Pflegebedürftigen beispielsweise insgesamt 40 Euro pro Tag kosten. Dem pflegenden Angehörigen kann das Zweibettzimmer inklusive Vollpension mit 50 Euro pro Tag in Rechnung gestellt werden.

Preise und Ausstattung der Hotels sind unterschiedlich. Nicht jede Einrichtung ist auch tatsächlich für die gemeinsame Unterbringung des Pflegebedürftigen und seines Angehörigen geeignet. Deshalb sollten Angebote verglichen werden. Und: Informieren Sie sich detailliert über die Finanzierung und die Antragsformalitäten.

Gesetzlich Versicherte wenden sich an ihre Pflegekasse oder an einen Pflegestützpunkt. Privat Versicherte und deren Angehörige erhalten unter der kostenfreien Telefonnummer (0800) 101 88 00 von der zuständigen Compass-Pflegeberatung die entsprechenden Auskünfte. Auch gesetzlich Versicherte bekommen dort eine telefonische Erstberatung.

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