Drängelei in Bayerns Frauenhäusern

Weil die Mietsätze der Jobcenter nicht angepasst werden, haben Frauenhäuser keine freien Plätze

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Weniger sozialer Wohnungsbau, steigende Mieten: Bayernweit wird es immer schwieriger, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Das stellt auch die Frauenhäuser vor Probleme. Sie haben akuten Platzmangel und können weniger von Gewalt bedrohten Frauen helfen.

Nürnberg/München (dpa/nd). Frauenhäuser in Bayern klagen zunehmend über Platzmangel, weil bezahlbarer Wohnraum in der Stadt und auf dem Land immer knapper wird. »Wir haben wegen der aktuell schlechten Situation auf dem Wohnungsmarkt eine sehr lange Aufenthaltsdauer der Frauen in unserem Haus. Normalerweise bleiben sie durchschnittlich knapp 40 Tage, derzeit sind es rund 64 Tage. Das ist extrem lang«, sagt Gabriele Penzkofer-Röhrl, die Geschäftsführerin des Nürnberger Frauenhauses.

Eine dpa-Umfrage unter fast 30 bayerischen Frauenhäusern ergab, dass derzeit in fast allen Einrichtungen keine Plätze für von Gewalt bedrohte Frauen und ihre Kinder mehr frei sind. Nur in Ausnahmefällen meldeten die Häuser ein oder zwei freie Betten - und die waren meist über Wartelisten bereits am nächsten Tag vergeben.

Dabei spielte es keine Rolle, ob Frauenhäuser in großen Städten wie München, Nürnberg und Augsburg oder in kleineren wie Schwabach (Mittelfranken), Burghausen (Oberbayern), Selb (Oberfranken), Weiden (Oberpfalz) oder Kaufbeuren (Schwaben) befragt wurden. »Der Zulauf ist zu groß und der Wohnraum zu knapp«, fasste eine Mitarbeiterin des Frauenhauses in Weiden die Situation zusammen.

Hintergrund ist, dass die meist alleinerziehenden Frauen, die solche Schutzhäuser aufsuchen, keine Wohnung finden, die sie sich leisten können. »Die Mietsätze vom Jobcenter sind seit Jahren nicht angehoben worden und für dieses kleine Geld finden die Frauen keine Wohnung. Das wäre auch in Fürth ein Glücksfall«, so Martina Störl vom Fürther Frauenhaus.

Erschwerend kommt hinzu, dass in Bayern der Platzschlüssel bezogen auf die Einwohnerzahl vergleichsweise schlecht ist. Das hat ein Bericht der Bundesregierung zur Situation der Frauenhäuser in Deutschland im vergangenen Jahr ergeben. Während Bremen durchschnittlich 3,63 Frauenhausplätze pro 10 000 Einwohnerinnen im Alter von 18 bis 60 Jahre vorhält, sind es in Bayern nur 1,17. Nur das Saarland bietet im bundesweiten Vergleich mit 1,05 Plätzen noch weniger.

Die Verbände, die die Frauenhäuser betreiben, fordern deshalb einen Landesaktionsplan, der zunächst den Hilfsbedarf ermittelt. »Der muss vor allem mit Blick auf die Zukunft entwickelt werden. Da sind wir bereits im Gespräch mit dem Sozialministerium«, sagte Monika Meier-Pojda, Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege für den Bereich Frauen. Der Lagebericht habe gezeigt, dass es erhebliche Defizite gebe, die schnell behoben werden müssten. »Wichtig ist, dass nicht einfach nur mit einem Schnellschuss aufgestockt wird, sondern dass die Angebote mit Augenmaß angepasst werden.«

In Bayern gibt es dem Sozialministerium zufolge 38 staatlich geförderte Frauenhäuser mit insgesamt 340 Plätzen für Frauen und 404 Plätzen für Kinder. Daneben halten einige Kommunen eigene Schutzwohnungen oder Notunterkünfte bereit. Die Frauenhäuser bilden einen von mehreren Bausteinen, die von Gewalt bedrohte Frauen in Anspruch nehmen können. Es gibt ebenfalls Hilfe in Beratungsstellen und mobile Hilfsangebote für die Opfer. Diese Konzepte fördert das Land eigenen Angaben zufolge mit rund 1,4 Millionen Euro im Jahr.

Deutschlandweit gibt es dem Bericht der Bundesregierung zufolge mehr als 350 Frauenhäuser. Sie bieten etwa 6000 Plätze, die jedes Jahr von ungefähr 15 000 bis 17 000 Frauen mit ihren Kindern genutzt werden können.

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