Angst in Damaskus vor Abreise des UN-Teams

Einwohner fürchten möglichen Militärschlag des Westens - die Nervosität ist überall in der syrischen Hauptstadt spürbar

  • Sarkis Kassargian
  • Lesedauer: 3 Min.

Damaskus (AFP/nd). »In Damaskus bleiben und die Angriffe abwarten, das ist furchterregend«, sagt Samar. Die Ärztin wohnt in einem wohlhabenden Viertel der syrischen Hauptstadt. Während des Gesprächs mit ihr am Freitagmorgen ist im Hintergrund Artilleriefeuer zu hören. Samar fürchtet wie viele andere Bewohner der Stadt, dass die Lage schlimmer wird, wenn die UN-Experten für Chemiewaffen am Samstag Damaskus verlassen - denn dann könnte bald ein ausländischer Militärschlag beginnen.

»Am liebsten würde ich mich an ihnen festkrallen, damit sie Syrien nicht verlassen«, sagt Samar über die UN-Inspekteure. »Ich will keinen Luftangriff.« Auch die 50-jährige Josefine hat Angst vor einer Militärintervention. »Wir wissen nicht, welche Ziele angegriffen werden«, sagt sie. Am Sonntag will Josefine vorübergehend nach Beirut ausreisen.

Seit Montag hatten die UN-Inspekteure Orte im Großraum Damaskus untersucht, an denen möglicherweise Giftgas eingesetzt wurde, und Zeugen befragt. Nun ist ihre Arbeit abgeschlossen, am Samstag sollen sie das Land verlassen. Über Beirut fliegt das Team nach New York, um dort UN-Generalsekretär Ban Ki Moon Bericht zu erstatten.

Was dann passiert, ist ungewiss. Derzeit scheint alles möglich. Auch wenn Großbritannien nun doch nicht mehr an einem Militäreinsatz teilnehmen will, so haben doch die USA und Frankreich ihr Vorhaben bekräftigt, die syrische Staatsführung als mutmaßliche Urheberin des C-Waffen-Einsatzes zu bestrafen.

In Damaskus ist die Nervosität überall spürbar. Geheimdienstagenten patrouillieren in bestimmten Straßen, Polizeistreifen halten sich für jegliches Anzeichen der öffentlichen Unruhe bereit. Die Kontrollen an Straßensperren wurden verstärkt.

Wie für manch anderen Hauptstadtbewohner ist der Sinneswandel in London auch für die Universitätsprofessorin Alia Ali kein Grund zur Beruhigung. »Alle Optionen liegen auf dem Tisch, mit Großbritannien oder ohne«, sagt die 28-Jährige, die in der Küstenstadt Latakia lehrt und auf Durchreise in Damaskus ist. Sie habe »kein Vertrauen in die Absichten der Kolonialmächte«.

Der Geschäftsmann Madschd glaubt hingegen nicht an ein militärisches Eingreifen in den seit zweieinhalb Jahren andauernden Bürgerkrieg. »Die internationale Öffentlichkeit steht einem Militärschlag gegen Syrien feindlich gegenüber«, sagte der 55-Jährige. »Ich glaube, dass es keinen Militärschlag geben wird.«

Die 23-jährige Jurastudentin Hiba gibt sich aus einem anderen Grund gelassen. »Unsere Regierung, die seit mehr als zwei Jahren Krieg führt, wird von einem oder zwei Tagen mit Luftangriffen nicht beeinflusst«, sagt sie. In Damaskus unterstützen viele Menschen den Kampf der Regierung gegen die Rebellen.

Den ganzen Tag und die halbe Nacht über verfolgen die Einwohner der Hauptstadt die weltpolitischen Debatten auf ihren Computer- und Fernsehbildschirmen. Hasna Hassan ist empört über das, was sie sieht. In den Beiträgen der internationalen TV-Sender würden »feindselige Erklärungen gegen Syrien« geäußert. »Das erinnert mich an den Krieg im Irak und die mediale Lawine, die ihm vorausging.«

Doch am Ende, sagt die 32-Jährige, mache ein internationaler Militärschlag gegen Syrien keinen Unterschied. »Mein Viertel wird sowieso mit Mörsergranaten beschossen, der einzige Unterschied ist also die Art der eingesetzten Waffen«, erläutert Hassan. »Bisher wurden wir von unseren Brüdern mit dem Tode bedroht - nun eben vom Westen.«

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