Billig-Spiele im alten Europa
Madrid bewirbt sich zum dritten Mal in Folge für Olympia und setzt auf den Samaranch-Faktor
Spanien hofft, mit dem Zuschlag für seine Olympia-Bewerbung die abgestürzte Wirtschaft im Land wieder in Fahrt bringen zu können. Für die Ausrichtung der Sommerspiele 2020 wurde ein vergleichsweise kleines Budget veranschlagt. Ob dieses allerdings wirklich ausreicht, scheint fraglich. Der große Hoffnungsträger heißt Juan Antion Samaranch jr., Sohn des gleichnamigen Ex-Präsidenten des IOC.
Am kommenden Sonnabend wird in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires entschieden, wo die Olympischen Sommerspiele 2020 ausgetragen werden. Auf der 125. Session des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) tritt Spaniens Hauptstadt Madrid gegen Istanbul und Tokio an. Spanische Tageszeitungen haben am Mittwoch schon fast den Sieg ihrer Hauptstadt verkündet. »El Mundo« schrieb, 50 von 98 IOC-Mitglieder hätten versprochen, für Madrid zu stimmen, womit dessen »olympische Träume quantifizierbar« seien. Insgesamt wurden 103 IOC-Mitglieder zur Abstimmung am Sonnabend aufgerufen.
Madrid versucht nach seinem Scheitern 2012 und 2016 nun im dritten Anlauf in Folge, die Sommerspiele auf die trockene und heiße Hochebene zu holen. Lange galt die Stadt als aussichtsloser Kandidat. Doch als das IOC im Mai 2012 entschied, dass diese drei Kandidaten in die Endausscheidung kommen, erhielt Madrid von der Evaluierungskommission des IOC mit 8,08 die beste Note vor Tokio (8,02) und Istanbul (6,98).
Madrid setzt in der Endausscheidung auf seine bisherigen Versuche und den Samaranch-Faktor. Erwartet wird, dass Juan Antonio Samaranch jr., Sohn des langjährigen IOC-Präsidenten Juan Antonio Samaranch, den immer noch großen Einfluss seines Vaters im IOC nutzt, um Stimmen für Madrid zu holen. Zudem versucht Spanien mit Billig-Spielen zu punkten. »Madrid 2020 weist eines der sparsamsten Budgets in der Olympia-Geschichte auf«, erklärt Bürgermeisterin Ana Botella dazu. Die Kosten sollen sich mit 1,6 Milliarden Euro deutlich in Grenzen halten, weil 80 Prozent der Sportstätten schon gebaut seien, meint Botella.
Angesichts harter Einschnitte und wütender Proteste wollen viele Bürger nicht, dass nun auch noch für Olympia Geld beim Budget für Bildung, Gesundheit oder Soziales abgezweigt wird. »Besser geht es kaum«, erklärt dagegen Samaranch jr. und meint, man habe auch mit dem neuen Antidoping-Gesetz eine wichtige Hürde aus dem Weg geräumt. Bürgermeisterin Botella sieht gerade in den Olympischen Spielen eine Möglichkeit, die wirtschaftliche Lage des Landes zu verbessern. Sie appellierte deshalb an das IOC, »einem Land im alten Europa« zu helfen.
Doch dem IOC dürfte nicht entgangen sein, dass Botellas Volkspartei (PP) in einen Schmiergeldskandal verstrickt ist, der bis zum spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy reichen soll. Viele Millionen sind im Bauboom, mit dem nun erneut die Wirtschaft angekurbelt werden soll, illegal in PP-Kassen geflossen, um an lukrative Aufträge zu kommen. Das hat sogar der ehemalige PP-Schatzmeister vor dem Ermittlungsrichter einräumen müssen. Angesichts von Korruptionsskandalen im IOC - einst wurde IOC-Chef Samaranch vorgeworfen, der Korruption kaum Einhalt zu bieten - könnte das IOC versucht sein, wegen dieser Vorgänge eher auf Abstand zu Spanien zu gehen.
Auch wenig glaubwürdig ist das Spar-Budget der Madrider Bewerbung. Zwar sind viele Stadien tatsächlich schon gebaut, doch vom ehemaligen Leichtathletikstadion La Peineta ragt nur noch die Haupttribüne aus einer Brachfläche. Sie soll einmal zum Olympiastadion gehören. Für den Bau sind nur 160 Millionen Euro veranschlagt. Solchen Kalkulationen glaubt fast niemand, denn fertig gestellte Spielstätten, wie der 17 Hektar große Sportkomplex Caja Mágica, wurden mit 294 Millionen Euro mehr als doppelt so teuer, als es einstmals geplant war. Für nur eine Milliarde Euro soll das Olympische Dorf errichtet werden, in dem fast 18 000 Personen unterkommen sollen.
Und auch an Objekten die als fertig gestellt gelten, gibt es teure Probleme, wie die Madrid Arena deutlich machte. Sie wurde für die Bewerbung 2012 gebaut und 2002 eingeweiht. Im vergangenen November machte sie traurige Schlagzeilen, als bei einer Massenpanik während eines Konzerts fünf junge Frauen ums Leben kamen.
Samaranch jr. wiederum wird auch nicht geglaubt, dass das im Juni recht eilig verabschiedete Antidoping-Gesetz real in einem Land viel verändert, das wegen Doping immer wieder Schlagzeilen macht. Bei der Generalstaatsanwaltschaft war Gonzalo Camarero dafür zuständig. Das Gesetz ist kompliziert, und sogar Camarero selbst räumt ein, dass es »grundsätzlich im neuen Gesetz keine großen Veränderungen zum alten« gebe. Zwar würden der nationalen Anti-Doping-Agentur AEA mehr Kompetenzen eingeräumt, Geldstrafen und Sanktionen verschärft, doch Dopingsünder können auch weiterhin strafrechtlich nicht verfolgt werden.
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