»Gut vernetzt und kommunikativ«

Der Hallenser SPD-Mann Karamba Diaby könnte der erste schwarze Abgeordnete im Bundestag werden

  • Hendrik Lasch, Halle
  • Lesedauer: 4 Min.
Karamba Diaby, ein Sozialdemokrat aus Halle, hat gute Chancen, als erster Politiker mit afrikanischen Wurzeln in den Bundestag zu kommen. Gewählt werden möchte er aber wegen seiner Politik, nicht wegen der Hautfarbe.

Karamba Diaby klingt ein wenig unzufrieden. Der 52-jährige Chemiker, der für die SPD in Halle in den Wahlkampf gezogen ist, würde gern über Politik reden: über Mindestlohn, Renten oder die Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsabschlüssen. Den Journalisten, die bei ihm in diesen Tagen zahlreich an die Tür klopfen, geht es hingegen immer nur um das eine. Diaby könnte, so lautet der Tenor ihrer Berichte, eine Tür aufstoßen: Er wird wohl der erste schwarze Abgeordnete im deutschen Bundestag werden. Dabei, stöhnt der Politiker, »bin ich doch nicht wegen meiner Hautfarbe aufgestellt worden«.

Aufgestellt wurde Diaby, weil seine Partei ihn als Zugpferd ansieht. Diaby ist in Halle bekannt wie ein bunter Hund. Warum das so ist, lässt sich bei einer Veranstaltung mit dem Titel »Wohnzimmer SPD« besichtigen. Bei dieser Veranstaltung wird ein Zelt auf dem Markt von Halle aufgebaut; die Bürger sollen dort zwischen Rathaus und Händel-Denkmal auf Bierbänken mit dem Kandidaten ins Gespräch kommen können. Diaby aber braucht das Zelt nicht; er spricht ohnehin mit jedem. Für seine Wege durch Halle, scherzt man dort, brauche er fünfmal so lange wie andere, weil er keinem Plausch aus dem Weg geht. Diaby sagt über sich, er sei »gut vernetzt und kommunikativ«. Außerdem kann er sehr ansteckend lachen.

Freilich: Umtriebig sind auch viele andere Kandidaten, ob bei der SPD oder anderen Parteien. Ein großes Porträt in der »New York Times« aber bekommt nur Diaby. Ende Mai erschien der Bericht, in dem es hieß, der Kandidat könne eine »Barriere im Bundestag niederreißen« und habe »die Chance, Geschichte zu schreiben« - kleiner geht es nicht. Auch die BBC hat angerufen. Insgesamt gab es über 50 Presseanfragen; der Terminkalender platzte zeitweise aus allen Nähten. Ein Reporter nennt den Grund: Diaby reise »auf dem Exotenticket«.

Das ist genau der wunde Punkt, kommentiert dieser: Die Aufregung zeige vor allem, »dass wir in Deutschland bei der Partizipation von Migranten noch lange nicht da stehen, wo wir stehen sollten«. In Frankreich, den USA oder Kanada wäre die Bewerbung eines Kandidaten mit schwarzer Hautfarbe für ein Mandat im nationalen Parlament nicht der Rede wert. In der Bundesrepublik des Jahres 2013 gibt es zwar inzwischen zahlreiche Abgeordnete, die Kinder zum Beispiel von türkischen Zuwanderern sind. Menschen mit afrikanischen Wurzeln aber muss man in Amtsstuben, bei der Polizei oder eben in der Politik mit der Lupe suchen. In Sachen politischer Teilhabe, sagt Diaby, »sieht es da bisher nicht so rosig aus«.

Wenn aber einer der Erste sein soll: Diaby wäre keine schlechte Wahl. Der 52-Jährige wuchs in einer Kleinstadt in Senegal auf; er wurde früh Waise. 1985 kam er zum Studium in die DDR. Nach einem Jahr am Leipziger Herder-Institut studierte er Chemie in Halle, heiratete dort und bekam mit seiner Frau zwei Kinder. Die Uni musste der promovierte Chemiker und Geoökologe 1996 verlassen; heute arbeitet er als Referent im Landesministerium für Arbeit und Soziales. Zudem engagierte er sich in Bildungsvereinen und bei Toleranzprojekten; er sitzt für die SPD im Stadtrat; und er war Vorsitzender des Bundeszuwanderungs- und Integrationsrats. Ihn als »umtriebig« zu beschreiben, ist deutlich untertrieben.

Welche Chancen der SPD-Mann im Wettstreit um das Direktmandat hat, ist dennoch schwer einzuschätzen. Im Wahlkreis 72, der die Stadt Halle und ihr Umland umfasst, tritt er gegen namhafte Konkurrenz an. Petra Sitte, die populäre Spitzenkandidatin der LINKEN in Sachsen-Anhalt, will ihr 2009 direkt gewonnenes Mandat verteidigen. Die FDP schickt Landeschefin Cornelia Piper ins Rennen, die CDU den Ex-Ministerpräsident Christoph Bergner, der zuletzt ein blasser Ostbeauftragter der Bundesregierung war. Diaby hat aber eine zweite Chance; er steht auch auf Platz 3 der SPD-Landesliste. Wenn es für die Genossen am 22. September nicht ein völliges Debakel gibt, sollte das für einen Sitz im Bundestag reichen.

Dort könnte Diaby zeigen, dass sich Migranten wie er auch in der schwierigsten aller deutschen Disziplinen bewähren können: dem Kleingartenwesen. Zwar besitzt er selbst keine Parzelle. Als Chemiker aber knüpfte er Anfang der 90er Jahre gute Kontakte; im Rahmen seiner Promotion wies er nach, dass Gärten in Halle nicht gefährlich mit Giften oder Schwermetallen belastet sind - und verteidigte viele Gärtner so gegen eine damals beabsichtigte Vertreibung. Heute beschäftigt ihn das Thema noch im Stadtrat. Er habe, sagt er ohne jedes Stocken, an der »Kleingartenentwicklungskonzeption« mitgearbeitet. Wer solche Vokabeln fehlerfrei beherrscht, ist wirklich reif für den Bundestag.

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