Werbung

Gysi wirbt für Rot-Rot-Grün – Tolerierung ausgeschlossen

Berliner Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl diskutieren bei Unternehmerverbänden Machtoptionen

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 4 Min.
Bei einer Veranstaltung von Unternehmerverbänden mit den Berliner Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl geht es auch um Machtoptionen: Während sich Gregor Gysi sich mit Verve für eine rot-rot-grüne Bundesregierung einsetzt, erteilt ihm Renate Künast eine Abfuhr.

Unruhig rutscht der Unternehmer auf seinem Stuhl, nestelt an seinem Smartphone herum. Die eben noch recht heiter gestimmte Runde der rund 388 Berliner Unternehmer schweigt auf einmal betreten – im gut besuchten Konferenzzentrum des Ludwig-Erhard-Hauses herrscht Stille. Vorne auf dem Podium geht es nach über eineinhalb Stunden plätscherndem Wahlkampf-Small-Talk mit den fünf Berliner Spitzenkandidaten von CDU, SPD, FDP, Linkspartei und Grünen jetzt um das Eingemachte: die Machtoptionen für die Zeit nach der Bundestagswahl. Und das Thema, dass das betretene Schweigen unter den lokalen, etwas in die Jahre gekommenen grau-melierten Wirtschaftsgranden auslöst, heißt: Rot-Rot-Grün.

»Wir sind doch hervorragend für eine Zusammenarbeit und auch für Gespräche geeignet«, wischt der Spitzenkandidat der Berliner LINKEN, Gregor Gysi, Zweifel des Berliner IHK-Hauptgeschäftsführers und Moderators Jan Eder an der »Seriosität« der Sozialisten beiseite. Die Linkspartei würde, so Eder, vor allem aus der SPD häufig als ein Haufen aus »pragmatischen Ostlinken, Sektierern und kommunistischen Splittergruppen« beschrieben. Gysi kontert mit dem »demokratischen Wert« der LINKEN: »Wir sind die Einzigen, die gegen Kriege, die gegen die falschen Eurorettungsschirme, die gegen prekäre Beschäftigung und Hartz IV sind.« Das sind in ähnlicher Weise auch jene Bedingungen, mit denen die Linkspartei am Montag in die heiße Wahlkampfphase geht, um die Bedingungen für eine Regierungsbeteiligung an Rot-Rot-Grün zu definieren. Bei Gysi klingt das dann so: »Wenn die SPD wieder sozialdemokratisch wäre, dann ginge es los – sie muss nur einfach so werden, wie sie unter Willy Brandt war.« Auf Bundesebene schließen Spitzenpolitiker der SPD ein solches Dreierbündnis bisher kategorisch aus.

Auch der Berliner SPD-Spitzenkandidatin, Eva Högl, ist von den forschen Moderatoren der Unternehmerveranstaltung kein befürwortendes Statement zu Rot-Rot-Grün zu entlocken – auch wenn man auf Berliner Ebene bereits gemeinsam erfolgreich regiert habe, wie Högl einräumt. Fest steht: Die SPD würde gerne mit den Grünen koalieren. Aber zunächst einmal müsse man das Wahlergebnis am 22. September abwarten, so Högl. Dann werden alle demokratischen Parteien miteinander sprechen. Ein »Indianer-Ehrenwort«, das nach der Wahl das gelte wie vor der Wahl, will Högl unter mürrischem Raunen der Zuhörer nicht abgeben.

Eine Steilvorlage wiederum für Gregor Gysi, der angesichts der aktuellen Umfragewerte, die Schwarz-Gelb und Rot-Rot-Grün gleichauf sehen, unter Lachern konstatiert: »Wenn es mit dem Wunschpartner nichts wird, dann müssen sie es doch mit uns machen.« Schließlich müssen dann an SPD, Grüne und Linkspartei erklären, warum sie eine Mehrheit links von der Union und der FDP nicht umsetzen und nutzen. Vielleicht, so Gysi, gäbe es nicht gleich am 22. September Gespräche, aber ziemlich sicher danach. Eine Tolerierung einer rot-grünen Minderheitsregierung durch die Linkspartei schließt Gysi indes aus. »Das ist auf Bundesebene nicht machbar und verantwortbar.« Und wenn man sich sowieso auf alles verständigen muss, dann könne man auch gleich in die Regierung gehen, betont der Spitzenkandidat der Berliner LINKEN. Während FDP-Spitzenmann Martin Lindner und CDU-Spitzenkandidatin Monika Grütters fleißig weiter das rot-rot-grüne Schreckgespenst auf dem Podium beschwören, um für die aus ihrer Sicht einzige Alternative, nämlich Schwarz-Gelb zu werben, obliegt es der Grünen Renate Künast, klare Kante gegen eine künftige linke Bundesregierung unter Einbeziehung der LINKEN zu ziehen, die unter den Berliner Unternehmern offenbar so gefürchtet ist.

»Ich halte eine Regierung mit Leuten, die nicht mal über UN-Einsätze bei Menschenrechtsverletzungen reden wollen und sich auf europäischer Ebene immer nur vom Acker machen und nie einem Rettungspaket zugestimmt haben, für absurd«, betont Künast.

Also doch alles lediglich rot-rot-grüne Regierungs-Chimären? Offenbar nicht für Gregor Gysi. Er sagt dazu gegenüber den Unternehmern nur: »Ein Ostdeutscher ist Bundespräsident, eine Ostdeutsche ist Bundeskanzlerin und was aus mir wird, wissen Sie alle.« Diesmal hat er alle Lacher der Unternehmer auf seiner Seite.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.