Halle will Ramschmeile aufpeppen

Der obere Fußgängerboulevard der Saalestadt soll ein neues Gesicht bekommen

  • Petra Buch und Romina Kempt, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Nur gut eine halbe Stunde Fahrt mit der S-Bahn - und für die Kunden gibt es zwei Welten. Während sie in Leipzig (Sachsen) die Qual der Wahl haben, machen etliche Kunden in Halle (Sachsen-Anhalt) am Beginn der Fußgängerzone eher auf dem Absatz kehrt. Das soll sich ändern.

Halle/Leipzig. Wer in Halle vom modernen Bahnhof in Richtung Innenstadt läuft, ist am Anfang der Fußgängerzone bitter enttäuscht: Bis auf wenige Fachgeschäfte treffen Reisende zunächst auf Ramsch am sogenannten »oberen Boulevard«. Kittelschürzen baumeln neben Billigklamotten aus Asien auf Kleiderständern in jenem Teil der Leipziger Straße. Schicke Läden, Flanieratmosphäre - hier Fehlanzeige. Im unteren Teil der Fußgängerzone sieht es schon netter aus: Filialen von Modeketten, Kaufhäuser und Cafés prägen das Bild, 2220 Passanten wurden hier im April nach Angaben der Stadt an einem Samstag in einer Stunde gezählt, im oberen Teil deutlich weniger.

»Die gute Stube der Stadt«

Die Stadt will das Image des »oberen Boulevards« und somit auch der gesamten rund 230 000 Einwohner zählenden Kommune verbessern. Im Kern geht es in dem Konzept zur Umgestaltung der oberen Leipziger Straße um einen Mix aus Verwaltung, Dienstleistung und Einzelhandel, vorhandene Flächen sollen aufgepeppt werden. Spätestens bis 2015/2018 soll die obere Leipziger Straße Menschen dann zum Verweilen und auch verstärkt in die Altstadt einladen. Es soll aber nach heutiger Einschätzung kein Einkaufszentrum entstehen, teilte ein Sprecher der Stadt mit.

»Wir brauchen da Bewegung. Es ist letztlich die gute Stube der Stadt«, sagt Halles Beigeordneter für Wirtschaft, Wolfram Neumann (CDU), mit Blick auf die Einkaufsmeile. Er kam 2008 aus dem Leipziger Rathaus nach Halle. Kunden zieht es zum Einkaufen eher nach Leipzig, mit der im Halbstundentakt fahrenden S-Bahn von Halle aus ein Katzensprung. Schon die Promenaden im Leipziger Hauptbahnhof bieten auf zwei Etagen vom Imbiss bis zu Markenjeans einen Mix, die Geschäfte scheinen voll vermietet. In der Nähe locken 130 neue Läden in den Höfen am Brühl.

Bei der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau (IHK) trifft das Vorhaben der Stadt Halle auf offene Ohren. »Die Situation des Einzelhandels ist in Halle nicht die beste«, sagt IHK-Geschäftsführerin Antje Bauer. Angesichts der älter werdenden Bevölkerung sei es auch wichtig, deren Bedürfnissen nach kurzen Wegen, Dienstleistungen und Verweilmöglichkeiten Rechnung zu tragen. »800 Meter läuft keiner«, sagte Bauer. Dies hätten Befragungen zum Kaufverhalten nicht nur älterer Kunden in deutschen Städten ergeben. Seit Jahren warnen Unternehmer daher auch vor einer Verelendung der Innenstädte und vor der Abwanderung der Kunden etwa in Einkaufszentren auf der grünen Wiese mit einem Branchenmix und Dienstleistungen unter einem Dach. Vor den Toren von Halle und Leipzig ist das riesige Shoppingcenter »nova eventis« in Günthersdorf an der A 9 (Berlin-München) entstanden. Nicht weit entfernt soll ein Outletcenter in Brehna (Landkreis Anhalt-Bitterfeld) gebaut werden.

Preiswerte Waren gefragt

»Die Stadt hat sehr wohl Einfluss darauf, was wo hinkommt«, sagt IHK-Sprecher Stefan Möslein zu immer wieder kehrenden Argumenten, eine Kommune könne nicht viel gegen ein Billigimage tun. Tübingen macht es vor. Ein Bebauungsplan aus dem Jahr 1989 habe den Grundstein dafür gelegt. In der Stadt mit rund 82 000 Einwohner reihen sich heute statt Ein-Euro-Läden und großen Handelsketten eher schmucke Buchhandlungen und edle Boutiquen aneinander.

»Die Altstadt ist eine Mischung aus Wohnen, Dienstleistung, Handel und Gastronomie«, sagt Stadtsprecherin Sabine Schmincke. Das Mietniveau sei in Tübingen vergleichsweise hoch. Gehobene Geschäfte könnten sich die Preise leisten - Ramschläden eher nicht, sagte Schmincke. Zudem sei die Kaufkraft - und somit der Bedarf an erlesenen Geschäften - vorhanden. In Tübingen.

In Halle muss den Plänen zur Umgestaltung des »oberen Boulevards« noch der Stadtrat zustimmen. »Die Nachfrage nach preiswerten Produkten ist da, da können wir die Augen nicht verschließen«, sagt die IHK-Geschäftsführerin.

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