Barrick Gold stößt auf Eis
Oberster Gerichtshof in Chile bestätigt vorläufigen Stopp einer Goldmine im Gletschergebiet Pascua Lama
»Copia-pó« - »Kopiert es endlich!«
Das forderte ein spanisches Wortspiel bereits nach einem Urteil des Berufungsgerichts der chilenischen Stadt Copiapó im April. Das Gericht gab damals einer Klage der indigenen Bevölkerungsgruppe Diaguita gegen den weltweit größten Goldbergbaukonzern, die kanadische Barrick Gold Corporation, statt. Die Folge: Die Arbeiten an der Mine Pascua Lama mussten eingestellt werden. Das Urteil weckte die Hoffnung, dass auf rechtlichem Wege der Umweltverschmutzung durch den Goldtagebau Einhalt geboten werden kann. Der Ruf »Copia-pó« - »Kopiert es endlich« verbreitete sich rasant im Internet. Nun fand die Aufforderung höchster Stelle Gehör. Das Urteil wurde »kopiert« - vom Obersten Gerichtshof Chiles. Der hat Ende September dem Berufungsgericht von Copiapó Recht gegeben und fordert von der Barrick Gold: »Das Unternehmen darf die Arbeiten am Projekt so lange nicht fortsetzen, bis die Umweltauflagen für das reibungslose Funktionieren des Wassersystems (…) erfüllt sind.«
Das Urteil ist ein weiteres Hindernis bei der Errichtung des umstrittenen Bergbauprojekts auf der Grenze von Chile und Argentinien, für das ursprünglich in den Anden auf 4500 Metern Höhe sogar Gletscher versetzt werden sollten. Seit die kanadische Barrick Gold Corporation mit den Arbeiten am weltweit ersten binationalen Tagebauprojekt begonnen hat, sieht sie sich auf beiden Seiten der Anden Protesten und einer Flut von Klagen gegenüber. Die Mine liegt in unmittelbarer Nähe mehrerer Gletscher an der Quelle zweier Flüsse, die in der chilenischen Atacamawüste im Huasco-Tal Leben spenden. Noch befindet sich Pascua Lama in der Bauphase, doch schon jetzt, so die Klage der indigenen Anwohner, führt die Errichtung der Mine zu hohen Anteilen von Arsen, Aluminium, Kupfer und Sulfaten im Fluss Estrecho.
Die Errichtung der Mine kam für die Anwohner beiderseits der Grenze überraschend. Es gehört zur weltweiten Strategie der Goldförderer, sich abgelegene, häufig indigen besiedelte Landstriche zu suchen, in denen mit ernsthafter Gegenwehr schon aufgrund geringer Bildungs- und Infrastruktur kaum zu rechnen ist. Im Fall von Pascua Lama ist die Rechnung aber nicht aufgegangen. »Was wir hier machen, erinnert an David gegen Goliath. Keiner von uns hatte vorher Ahnung vom Goldbergbau. Mittlerweile sind wir Experten geworden«, sagt Luis Faura, Gemeinderatsmitglied im Huasco-Tal und einer der Ersten, der Protest organisierte.
Die Diaguita selbst hätten nie gedacht, so weit zu kommen. Als die Barrick Gold Corporation vor sechs Jahren schon im Gebiet aktiv war, wurden die Diaguita in Chile überhaupt erst als indigenes Volk anerkannt. »Das Wichtigste ist, das wir unser Land zurückhaben«, sagte damals Don Pallauta, Nachfahre der Ureinwohner dieser Zone. »Kaum vorzustellen, dass all diejenigen, die so arm hausen, jetzt Zugang zu ihrem Land haben und Sonderrechte auf Bildung und Gesundheit«, fasste er die ihm wichtigste Anerkennung seiner Herkunft, die teilweise Aufhebung der Kolonisation vor 500 Jahren, zusammen. Ziegen auf eigenen Land hüten, Wein auf eigener Erde anbauen in einem Tal, in dem sich das Grün nur wenige Hundert Meter rechts und links des Flusses erstreckt. Danach kommt die Wüste. Nur dass auf diesem, ihrem Land, mittlerweile einer der größten Tagebauten Südamerikas errichtet wird.
Vier Jahre lang hatte der Behördengang der Diaguita für ihre Anerkennung gedauert, länger als normal. Als sie endlich ihr Recht erhielten, hatte die Barrick schon die Erlaubnis, Pascua Lama zu bauen. Als die Indigenen damals vonseiten verschiedener Nichtregierungsorganisationen rechtliche Unterstützung angeboten bekamen, die sie sich selbst nie hätten leisten können, zögerten sie noch, diese anzunehmen. Heute haben sie einen Rat gegründet, der elf Gemeinden zusammenfasst und ihr Anwalt, Lorenzo Soto, hat die Siege vor Gericht davon getragen.
Die scheinbare Kargheit des sehr schlichten Lebens im Huasco-Tal ist gleichzeitig sein Reichtum. Bauern und Diaguita geht es ums Wasser als ihre Lebensgrundlage. Sie streben danach, ihr Tal zu erhalten und fürchten, der Goldbergbau wird es durch seine Arbeiten und das Waschen des Metalls mit Blausäure in einen vergifteten Wüstenstrich verwandeln. Seit der Konzern vor Ort aktiv ist, versucht er über Geld die Anwohner für sich zu gewinnen. Seien es Computer im Gemeindehaus, Basecaps in der Schule, kostenlose Sportkurse mit Trainern aus der Stadt - selbst die Verlockung mit gut bezahlten Arbeitsplätzen in der Mine schlägt zumeist fehl. So distanzierten sich auch die 500 Klagenden der Diaguita von möglicher finanzieller Kompensation. »Wir erklären, dass für uns Wasser mehr wert ist als Gold und wir die Auswirkungen des Bergbaus auf unsere Wasserreserven nicht verhandeln«, hieß es in der Erklärung. Eine Position, die nun in höchster Distanz bestätigt wurde.
Das Urteil vom Obersten Gericht Chiles bedeutet nicht das Aus für die Mine Pascua Lama. In einem Land, in dem 60 Prozent der Einnahmen aus dem Bergbau stammen, setzt es jedoch ein Zeichen über den Stellenwert, den Umweltschutz und (Ur)Einwohner bei der Abwägung der unterschiedlichen Interessen von Bergbau und Landwirtschaft mittlerweile erhalten haben. Dieses Zeichen ist eine Ermutigung.
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