Ich-Qualen, Wir-Fragen
Preis für Terézia Mora
Kreative Vielseitigkeit, dynamische Tiefgründigkeit und die Kunst der angstfreien Zeit- und Gesellschaftsdiagnose charakterisieren die diesjährige Gewinnerin des Deutschen Buchpreises. Terézia Mora, 1971 im ungarischen Sopron geboren, ist Schriftstellerin, Übersetzerin, Drehbuchautorin. Sie überzeugt mit dem, was sie tut, in all ihren Genres. Vielleicht, weil sie, die zweisprachig Aufgewachsene, Vielfalt und Lebendigkeit von klein auf erlebt hat. Vielleicht, weil sie, anders als andere Autoren ihrer Generation, das Schreiben nicht nur als wortmalerische Übung begreift.
Ihre Romane »Seltsame Materie« (1999), »Alle Tage« (2004), »Der einzige Mann auf dem Kontinent« (2009) und die 2013 erschienene, jetzt vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels ausgezeichnete Fortsetzung der Geschichte von Darius Kopp und Flora, »Das Ungeheuer«, sind Zeugnisse der Gegenwart, die die Probleme des Individuums thematisieren, ohne die drängenden Fragen der Zeit auszublenden. Identitätsverlust, Orientierungslosigkeit, Getriebensein haben bei Mora nicht nur eine psychologische Dimension. Überdies ist ihre Prosa intellektuelle Herausforderung ebenso wie ästhetischer Genuss. Mit dem Thema der menschlichen »Verfehlungen«, das sie in »Das Ungeheuer« (rezensiert im »nd« vom 7.10.) mit dem schwarzen Strich zwischen Leben und dem Weiterleben im Nichtmehrleben so wunderbar literarisch auslotet, ist sie noch lange nicht durch. Sie erwähnte dieser Tage, dass Darius Kopps Geschichte in einem dritten Band weitergehen soll.
Seit 1990 lebt Terézia Mora in Berlin, wo sie zunächst Ungarische Philologie und Theaterwissenschaft an der Humboldt-Universität studierte. An der Deutschen Film- und Fernsehakademie dffb bildete sie sich anschließend zur Drehbuchautorin weiter. Ihr Debüt in diesem Genre gab sie 1998 mit dem Kurzspielfilm »Die Wege des Wassers in Erzincan«. 1999 folgte »Boomtown/Am Ende der Stadt« und 2000 der Fernsehfilm »Das Alibi«.
Zu den Auszeichnungen Terézia Moras zählen nicht nur renommierte Literaturpreise wie der Ingeborg-Bachmann-Preis (1999), der Preis der Leipziger Buchmesse (2004), der Adelbert-von-Chamisso-Preis (2010) und der Erich-Fried-Preis (2010), sondern auch diverse Ehrungen für ihre Arbeit als Übersetzerin: So erhielt sie für die Übertragung von Péter Esterházys »Ein Produktionsroman (Zwei Produktionsromane)« 2011 den Übersetzerpreis der Kunststiftung NRW.
Literaturpreisträger, so stand kürzlich in der Presse, seien meist unter vierzig oder über siebzig. Terézia Mora widersetzt sich auch diesem Trend.
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