Olympia erlaubt, WM verboten
Chinesische Tischtennisasse dürfen Medaillen für andere Länder gewinnen, nur nicht bei Weltmeisterschaften
Han Ying und Shan Xiaona sind deutsche Staatsbürgerinnen. Mehr als acht Jahre leben die beiden gebürtigen Chinesinnen schon in Deutschland, und so stellten sie nach Ablauf dieser Frist einen Antrag auf Einbürgerung. In Schwechat sicherten sie dem deutschen Tischtennisteam am Montag EM-Gold. Für China hatte keine von ihnen jemals gespielt - dafür waren sie nie gut genug. Wenn im kommenden April eine deutsche Delegation zur Team-WM nach Tokio fliegt, werden Han und Shan trotzdem nicht im Flugzeug sitzen, denn bei Weltmeisterschaften dürfen sie nicht mehr antreten.
Grund dafür ist eine Regeländerung des Weltverbands ITTF aus dem Jahr 2008, nach der Athleten einen Nationalitätenwechsel nach Vollendung ihres 21. Lebensjahres mit dem Ausschluss von Welttitelkämpfen bezahlen. Die ITTF befürchtete, dass Jugendliche nur noch in China auf Weltniveau herausgebildet würden, um dann von anderen Nationen importiert zu werden, die eigene Talente vernachlässigten.
Ganz unbegründet war die Angst nicht. Unter den ersten 30 der Weltrangliste sind neun Chinesinnen platziert, weitere sieben wurden im Reich der Mitte geboren. Auch danach folgen noch viele chinesische Namen, die jedoch in Tokio und bei der Einzel-WM 2015 (in China!) nicht spielen dürfen. 2016 in Rio de Janeiro bei Olympia aber schon, denn hier regiert das IOC. Dem reichen drei Lebensjahre im betreffenden Land. An dieser Regelung orientiert sich Europas Verband auch für die EM.
»Es ist schlecht, dass es keine einheitliche Regelung gibt. Hier sollte eine Angleichung her«, fordert Dirk Schimmelpfennig. Der Sportdirektor beim Deutschen Tischtennis-Bund muss verschiedene Teams für EM, WM und Olympia nominieren, kann den Weltverband aber verstehen. »Dahinter steckt ja ein nachvollziehbarer Gedanke. Die ITTF will sicherstellen, dass die WM interessant ist, und nicht nur Chinesinnen unter sich spielen.«
Hinter der Regelverschärfung steckt nicht der chinesische Verband, wie man vermuten könnte. Der heutige ITTF-Vizepräsident Shi Zhihao sagte, damals noch im Amt des Frauen-Nationaltrainers: »China ist das egal. Als Trainer verschwende ich keinen Gedanken daran.« Er muss auch nicht fürchten, dass seine Asse gegen Landsfrauen Medaillen verlieren, denn die Besten spielen für China. Nur jene, die für die Nationalmannschaft nicht infrage kommen, lässt man gehen, so Schimmelpfennig.
Für Han Ying (32. der Rangliste) und Shan Xiaona (35.) ist die Regelung in mehrfacher Hinsicht ärgerlich. Die beiden 30-Jährigen dürfen nicht nur nie mehr um WM-Medaillen spielen - im Teamwettbewerb verpasste Deutschland 2012 ohne die beiden nur knapp Bronze. Die Regelung trat sogar erst nach ihrem Weggang aus China in Kraft. Bei der WM sind außerdem die meisten Weltranglistenpunkte zu holen, die letztlich entscheidend für die Olympiaqualifikation sind. »Zum Glück gibt es gut 20 Turniere im Jahr, bei denen sie Punkte sammeln können«, sagt Schimmelpfennig zwar. Dass es seinen besten Spielerinnen aber schwerer gemacht wird als anderen, gefällt ihm auch nicht.
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