Ab geht die britische Post an der Börse

Die Privatisierung der Royal Mail bleibt heftig umstritten. Die Gewerkschaft CWU bereitet Streiks vor

  • Christian Bunke, Manchester
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Aktien der Royal Mail sind am ersten Handelstag an der Börse kräftig gestiegen. Viele Briten befürchten schlechteren Service, Postbeschäftigte geringere Löhne.

Großer Jubel in den Banktürmen der City of London am Freitag. Royal Mail, die staatliche britische Post, ist soeben privatisiert und in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden. Gleich am ersten Handelstag für in-stitutionelle Anleger stieg der Wert der Aktien um über 35 Prozent. Gleich in der ersten Stunde wurden 100 Millionen Papiere gehandelt. Kritiker merken an, der Staat habe die Aktien offenbar viel zu billig verscherbelt. Der eigentliche Börsengang findet am kommenden Dienstag statt.

Royal Mail ist eines der ältesten staatlichen Unternehmen Großbritanniens mit einer 500-jährigen Tradition. Der Staat hält nur noch einen Anteil von rund 38 Prozent, der in den kommenden Monaten auf 30 Prozent reduziert werden soll. 690 000 Menschen haben sich Aktien gekauft. Knapp die Hälfte der Anteile sind im öffentlichen Umlauf, zehn Prozent wurden kostenlos an die Beschäftigten der Post abgegeben - eine Aktion, die von der Post- und Kommunikationsgewerkschaft CWU als »Bestechungsmaßnahme« gewertet wurde. Die überwiegende Mehrheit der Postler nahm die Aktienpakete an, nur knapp über 300 der 150 000 Postler verweigerten aus Protest die Annahme.

Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Privatisierung der Post in der Bevölkerung mehrheitlich abgelehnt wird. 70 Prozent aller Briten sind laut Umfragen dagegen, unter den Postlern beträgt die Ablehnungsquote sogar 96 Prozent. Selbst die den regierenden Konservativen nahestehende Countryside Alliance ist skeptisch und befürchtet eine Angebotsverschlechterung. Bislang garantierte die Post selbst abgelegenen Landesteilen, sechs Tage pro Woche zu beliefern. Zwar verspricht die Regierung, dieser Service werde aufrechterhalten. Davon ist angesichts des angekündigten Stellenabbaus aber nicht auszugehen.

Die Regierung setzte die Privatisierung im Schnellverfahren durch. Dies ließ der Gewerkschaft keine legale Möglichkeit, vor dem Börsengang dagegen zu streiken. Großbritannien hat seit der Ära Thatcher die strengsten Antigewerkschaftsgesetze Europas. Diese verpflichten die Arbeitnehmervertretungen zu einem langwierigen Urabstimmungsprozess, spontane Streiks sind verboten. Organisiert eine Gewerkschaft einen wilden Streik, kann der Staat das Gewerkschaftseinkommen enteignen.

Dennoch organisiert die CWU Widerstand. Sie möchte durchsetzen, dass die gegenwärtigen Arbeitsbedingungen und Lohneinstufungen für die Beschäftigten trotz Privatisierung erhalten bleiben. Derzeit läuft eine Urabstimmung für Streiks. Sie endet am kommenden Mittwoch, erste Streiks könnte es am 23. Oktober geben.

Derweil versucht die Regierung, die Privatisierung in ein gutes Licht zu rücken. Wirtschaftsminister Michael Fallon erklärte im Unterhaus: »Bislang gab es gegen jede Privatisierungsmaßnahme Opposition. Doch niemand schlägt heute vor, die Privatisierungen der 1980er Jahre rückgängig machen zu wollen.«

Dennoch ist die Forderung nach Rückverstaatlichung längst wieder Teil der öffentlichen Diskussion. Sechs von Sieben Briten fordern etwa eine Verstaatlichung der sechs größten Energiekonzerne. Und der Parteitag der oppositionellen Labour Party hat die Rücknahme der Postprivatisierung beschlossen, sollte man wieder an die Regierung kommen.

Diesen Beschluss muss man allerdings relativieren. Parteitagsbeschlüsse sind für die Labour-Spitze nicht bindend. Und Parteichef Ed Miliband hat bislang eine Aussage dazu verweigert, wie er sich in diese Frage verhalten möchte.

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