Sklaven-WM in Katar: Deutsche Journalisten festgenommen

Verhöre wegen Recherchen über die miserablen Arbeitsbedingungen auf Baustellen / IG-BAU-Vize nach Besuch: »Da fließen einem die Tränen«

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Bei Recherchen zu den miserablen Arbeitsbedingungen auf den Baustellen für die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar sind zwei deutsche Journalisten festgenommen und stundenlang verhört worden. Peter Giesel und Robin Ahne waren für Recherchen ins Wüstenemirat gereist, um sich selbst ein Bild von der Lage vor Ort zu machen, wie es beim Sportsender Sky Sport News heißt. Bereits am zweiten Tag ihres Aufenthalts seien sie festgenommen worden, »von der Staatssicherheit in Einzelhaft verwahrt und während des 27-stündigen Freiheitsentzuges mehrmals verhört«.

Giesel und Ahne waren nach eigenen Angaben »undercover als Touristen eingereist«. Als Grund für ihre Verhaftung wurde ihnen »anti-katarische Berichterstattung ohne Drehgenehmigung« vorgeworfen, nachdem sie unter anderem mit ausländischen Arbeitskräften gesprochen hatten. Im Deutschlandfunk sagte Giesel am Dienstagmorgen, man habe ihnen zudem unterstellt, die Bauarbeiter aufgewiegelt zu haben. Nach Intervention des Auswärtigen Amtes wurden die beiden Journalisten schließlich freigelassen.

»Seit ich morgens um halb sechs in Handschellen zur vierten Vernehmung aus der Zelle abgeholt wurde, habe ich Zweifel daran, dass hier 2022 vor den Augen der Weltpresse eine Fußball-WM gefeiert werden kann«, sagte Giesel. Das Turnier steht seit längerem in der Kritik. Zunächst waren die klimatischen Bedingungen ein Thema, sogar eine Verlegung in den Winter wurde erwogen. Später gab es Korruptionsvorwürfe gegen den Weltverband und das Gastgeberland. Zuletzt machten Berichte über »moderne Sklavenarbeit« auf den WM-Baustellen und tote Bauarbeiter Schlagzeilen.

Derweil hat die Gewerkschaft IG BAU hat nach einem Kontrollbesuch im Emirat Katar massive Kritik an den Bedingungen für Gastarbeiter geübt. »Da fließen einem die Tränen, wenn man das sieht«, sagte IG-BAU-Vizechef Dietmar Schäfers dem »Handelsblatt«.

Etwa die Hälfte der Bauarbeiter sei miserabel untergebracht. Oft müssten Gastarbeiter zu zehnt in einem Zimmer wohnen, das nur rund 15 Quadratmeter groß sei, sagte Schäfers der Zeitung. Die Matratzen zum Schlafen seien »so dick wie eine Wolldecke - und darunter ist ein Rost aus Stahlstangen«. Die hygienischen Verhältnisse seien mangelhaft. Auch bekämen die Arbeiter - oft aus Indien oder Nepal - weniger Geld, als ihnen zugesagt worden sei, kritisierte Schäfers. Zudem nähmen ihnen die Arbeitgeber mitunter die Pässe ab.

Speziell bei örtlichen Firmen in Katar herrschten bedenkliche Zustände, kritisierte Schäfers. Dort aber, wo Gruppen von Firmen aus Europa und den USA »das Sagen haben, sind die Standards gut«. IG-BAU-Vize Schäfers war vergangene Woche mit einer internationalen Gruppe von Gewerkschaftern nach Katar gereist, um die Baustellen zu besuchen. Kommendes Jahr wollen die Arbeitnehmervertreter zu einem neuen Kontrollbesuch in das Emirat reisen.

Ende September hatte die britische Zeitung »The Guardian« berichtet, dass Arbeiter auf den WM-Baustellen wie »moderne Sklaven« behandelt würden und Dutzende von ihnen in den vergangenen Wochen gestorben seien. Die katarische Regierung wies dies zurück und schaltete eine internationale Anwaltskanzlei ein, um sich gegen die Anschuldigungen zu wehren.

DFB-Präsident Wolfgang Niersbach hat unterdessen die Kritik seines Vorgängers Theo Zwanziger um die Positionierung des deutschen Fußballverbandes in der Katar-Frage zurückgewiesen. »Ich habe gelernt, wie wichtig es ist, erst einmal die Fakten zu checken, bevor man lautstark in die Öffentlichkeit geht. Genau so habe ich es auch in diesem Fall gehandhabt«, sagte Niersbach der »Welt am Sonntag«, nachdem ihm Zwanziger vorgeworfen hatte, sich in der Diskussion um unmenschliche Arbeitsbedingungen für Gastarbeiter auf den WM-Baustellen in Katar nicht zu Wort gemeldet zu haben. Agenturen/nd

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