Juncker muss zappeln

Liberale und Linke gehen gestärkt aus der Parlamentswahl im Großherzogtum hervor

  • Anina Valle Thiele, Luxemburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Klare Mehrheitsverhältnisse blieben bei der Parlamentswahl in Luxemburg aus. Jean-Claude Junckers konservative CSV ist aber stärkste Partei geblieben.

Sichtlich müde und angeschlagen wirkte der Premier am Wahlabend. Doch gebetsmühlenartig betonte Jean-Claude Juncker, dass seine Christlich-Soziale Volkspartei (CSV) noch immer stärkste Kraft ist. »Wir sind weiter die wichtigste Partei«, sagte Juncker in einer kurzen Ansprache im Hauptquartier seiner Partei. »Der Abstand zwischen der CSV und den anderen ist beeindruckend.« Die seit ihrer Gründung im Jahr 1944 durchweg stärkste Partei in Luxemburg kam auf 33,7 Prozent der Stimmen. 4,5 Prozentpunkte haben die Konservativen damit im Vergleich zu den Abgeordnetenhauswahlen 2009 verloren - historisch gesehen und angesichts der Geheimdienstaffäre, die die vorgezogenen Neuwahlen auslöste, kein allzu schlechtes Ergebnis. Doch ein Dreierbündnis inklusive seines bisherigen Koalitionspartners könnte Juncker nach 19 Jahren aus dem Amt verdrängen.

Ein langes Gesicht zieht jedoch auch sein sozialdemokratischer Kontrahent Etienne Schneider. Unter dem Wahlspruch »Lust auf morgen!« hatten die Sozialdemokraten einen politischen Neuanfang wagen wollen, wurden jedoch für den Bruch der Großen Koalition nicht belohnt. Die LSAP büßte zwar nur knapp ein Prozent der Stimmen ein und behält damit 13 Mandate im 60-köpfigen Parlament. Dennoch ist das Ergebnis der LSAP mit nur 20,3 Prozent so schlecht wie selten zuvor.

Spitzenkandidat Schneider hatte auf mehr gehofft. Wenn schon keine klare neue Mehrheit, so schien mindestens eine Neuauflage der schwarz-roten Koalition in Sicht - mit Juncker als Premier und ihm als Vize.

Diese Option scheint jetzt unrealistisch. Bemüht, die Contenance zu wahren, blieb Schneider am Sonntagabend ungewöhnlich still. LSAP-Präsident Alex Bodry zeigte sich hingegen zufrieden und betonte, seine Partei sei bereit, Verantwortung zu übernehmen.

Jenseits des Führungsanspruchs, den die beiden Großen naturgemäß für sich reklamieren, sind die wirklichen Sieger dieser Wahl jedoch andere: die Linke, die 1,65 Prozentpunkte dazugewann und einen zweiten Sitz im Parlament erhält, und ganz klar die liberale Demokratische Partei (DP), die insgesamt vier Sitze dazugewann und mit 18,2 Prozent wie die Sozialdemokraten auf 13 Mandate kommt. Parteipräsident Xavier Bettel, Bürgermeister der Hauptstadt, strahlte denn auch am Wahlabend wie ein Honigkuchenpferd. Die Grünen sind hingegen enttäuscht angesichts ihres Resultats, wenngleich sie nur einen Sitz verloren haben und mit 10,1 Prozent noch immer sechs Parlamentssitze einnehmen können.

Arithmetisch ist die Ampel, eine Dreierkoalition zwischen Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen, zwar möglich, doch liegt das Heft nun in den Händen der DP. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie ideologisch eher mit der CSV zusammenarbeiten wird, ist groß. Wenngleich die DP im Wahlkampf mit »sozialen Lösungen« geworben und Transparenz auf allen Ebenen versprochen hatte, steht die Partei wirtschafts- wie sozialpolitisch eher rechts von der CSV. Vor der Wahl propagierte sie etwa eine Kürzung des Mindestlohns für Auszubildende. Allerdings wäre die DP nicht gerade Junckers erste Wahl, er würde sich wohl nur zähneknirschend auf sie einlassen. Umgekehrt hätte die DP eine Alternative - im Falle einer Dreierkoalition mit LSAP und Grünen könnte sie sogar den Premier stellen.

Ein wirklicher politischer Neuanfang ohne Juncker, für den sich noch kurz vor der Wahl in Umfragen 72 Prozent der Wähler ausgesprochen hatten, scheint indes in weite Ferne gerückt. Nun ist es - mehr noch als an Juncker - an den Liberalen, eine Entscheidung zu treffen, mit wem sie eine Koalition bilden. Und selbst, wenn sich die Parteien schnell einig werden, könnten bis zur offiziellen Regierungsbildung noch ein paar Wochen ins Land gehen. Großherzog Henri als Staatschef wird an diesem Dienstag mit allen Parteivorsitzenden darüber beraten, wem er den Auftrag zur Regierungsbildung gibt.

Die Große Koalition war im Sommer über eine Geheimdienstaffäre zerbrochen, für die man in der LSAP Jean-Claude Juncker verantwortlich machte. Der Geheimdienst hatte unter anderem rund 13 000 Akten über Personen und Unternehmen angelegt und seinen Mitarbeitern beim Ankauf von Luxusautos Vorteile eingeräumt.

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