Kleinkrieg zwischen Berliner AK und Lok Leipzig
Der Streit um Rassismusvorfälle beschäftigt weiter beide Klubs und zwei Gerichte
Am Sonnabend empfängt der Berliner Athletik Klub am 11. Spieltag der Regionalliga Nordost den FC Carl Zeiss Jena. Und zum Spitzenspiel kündigt der Verein aus dem Bezirk Moabit auch eine Spitzenkulisse an: Mehr als 2000 Zuschauer werden im Poststadion erwartet, wenn der ungeschlagene Tabellenzweite BAK 07 auf die viertplatzierten Thüringer trifft.
Für die Berliner ist es ein besonderes Fußballspiel. »Wir freuen uns, gegen einen Traditionsverein wie Carl Zeiss spielen zu dürfen«, sagte BAK-Trainer Engin Yanova. Ganz alltäglich hingegen ist der Ablauf vor der Partie für Mehmet Ali Han. »Ich werde wie immer die Gäste in unserem Stadion willkommen heißen«, sagt der Präsident des BAK.
Dass eine Begrüßung nicht in allen Stadien normal ist, weiß man beim Berliner AK seit dem 1. September. Mehmet Ali Han erzählt, dass ihn und andere Klubvertreter niemand vom 1. FC Lok Leipzig vor dem Spiel habe empfangen wollen. Ein unschöner Anfang einer am Ende sehr hässlichen Geschichte, die auch noch zwei Monate danach beide Klubs und zwei Gerichte beschäftigt. Vom Sportgericht des Nordostdeutschen Fußballverbandes (NOFV) wurde Lok wegen eines Böllerwurfs und »Übergriffen im Tribünen- und Stehplatzbereich« von Leipziger Fans zu einer Strafe von 1500 Euro verurteilt. Dagegen legte der Klub Berufung ein, ein Termin für die Verhandlung steht noch nicht fest.
Beim Landgericht Leipzig stellte Lok Strafanzeige wegen Verleumdung gegen den BAK, der in einer Presserklärung »rassistische Beleidigungen« auf der Haupttribüne und im VIP-Raum des Bruno-Plache-Stadions sowie »körperliche Übergriffe« auf Vereinsmitglieder und Familienangehörige von Spielern öffentlich gemacht hatten. Das Urteil verbuchten beide Seiten als Erfolg. Der 1. FC Lok erwirkte eine einstweilige Verfügung, wonach der BAK die Pressemitteilung von seiner Internetseite entfernen musste. Weiterhin stellten die Leipziger heraus, dass es »nicht zur Überzeugung des Gerichts bewiesen« ist, »dass es solche Beleidigungen tatsächlich gegeben hat«. Der Berliner AK darf hingegen weiterhin behaupten, »dass es auf der Haupttribüne rassistische Beleidigungen« gegeben hat, nicht aber im VIP-Raum. Ein Zeuge soll Rufe wie »Ziegenficker« und »Türkenschweine« bestätigt haben.
Die einfachste Lösung, eine Einigung beider Klubs, scheint unmöglich. Zwischen Leipzig und Berlin herrscht absolute Funkstille. Lok bestreitet konsequent jegliche Rassismusvorfälle und flüchtet sich in juristische Formalien. Als »Kleinkrieg« beschreibt Ersin Nas, der Anwalt des BAK, die gerichtliche Auseinandersetzung. Ein Beispiel: Es muss geklärt werden, ob Mehmet Ali Han in Leipzig »mit Bier überschüttet« oder eben nur »mit Bier bespritzt« wurde.
Wenn Tom Franke, Geschäftsführer des 1. FC Lok, sagt, »wir wollen das Thema BAK gerne beenden«, kann schnell der Eindruck entstehen, dass man das eigentliche Problem in Leipzig gern verdrängen würde. Zumal er auch sagt, keine weiteren Fragen zu diesem Thema beantworten zu wollen - »wie auch jeder andere hier bei uns«. Es wäre jedenfalls nicht das erste Mal, dass Lok-Fans sich selbst in die rechte Ecke gestellt hätten.
Auf ein Angebot des BAK, mit einem Freundschaftsspiel oder einem Turnier gemeinsam gegen Rassismus zu spielen, hat der 1. FC Lok nicht reagiert. Auch der Vorschlag von Mehmet Ali Han blieb unbeantwortet. »Bei einer öffentlichen Entschuldigung der Leipziger hätten wir unsere Presseerklärung auch zurückgenommen«, erzählt der BAK-Präsident. Denn ein Politikum habe er daraus gar nicht machen wollen: »Werbung für Rassismus brauchen wir nicht.«
So aber gehen die Vorfälle rund um das Spiel aber in eine zeitlich unabsehbare Verlängerung. Mit der Berufung, die Anwalt Ermin Nas gerade vorbereitet, landet der Streit vor dem Leipziger Oberlandesgericht. Heute aber freut sich der BAK aber erst mal auf das Spiel gegen Jena.
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